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Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen

Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen

Titel: Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen
Autoren: Margaret Weis
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die Zweifel und Ängste erkennen, die sich dahinter verbargen.
    »Soll er doch«, dachte sie. »Ich habe keine Angst. Ich bin die Hohepriesterin, und er ist bloß ein Ungeheuer.« Wieder blickte sie in das Wasser, direkt in die Augen des Drachen.
    »Ich bin die Hohepriesterin aus dem Tempel des Wachsamen Auges«, erklärte sie ihm mit wachsender Zuversicht. »Ich warne dich, Drache. Lass du uns in Frieden, dann lassen wir dich in Frieden.«
    »Wir?«, gab der Drache zurück. »Wer ist dieses ›Wir‹? Ich sehe nur eine winzige Gestalt. Ruf deine Meisterin! Ich spreche allein mit ihr.«
    Der Drache sprach seine Worte nicht laut – zumindest bewegte er dabei nicht das Maul –, doch sie waren wie strahlende Bilder in Melisandes Kopf, die sie mehr sah als hörte. Es war ein irritierender Anblick, denn die Farben waren zu gleißend, so glänzend und lebhaft, dass es geradezu wehtat. Am liebsten hätte sie den Kopf abgewandt, doch sie biss die Zähne zusammen. Pflichtbewusst hielt sie dem Blick des Drachen stand.
    »Meine Meisterin lässt sich nicht dazu herab, mit deinesgleichen zu sprechen. Wir sind die Drachenschwestern, und wir werden dich mit mächtiger Magie empfangen, wenn du kommst. Lass dir das eine Warnung sein, und kehre um.«
    Die Drachenaugen glitzerten. »Tut, was ihr nicht lassen könnt. Ich werde dennoch mit deiner Meisterin sprechen, denn das ist der einzige Grund meines Kommens.«
    Die Drachenaugen wendeten sich von ihr ab. Die Farben verschmierten, verliefen und verschwanden schließlich. Grau und erschöpft blieb Melisande zurück. Der Drache hatte keine Verwendung mehr für sie. Sie war ein Mensch, eine niedere Lebensform. Die Hohepriesterin suchte hinter dem Drachen nach weiteren Artgenossen, fand jedoch keine. Jetzt begann sie zu verstehen. Es handelte sich nicht um einen wohl durchdachten, geplanten Angriff eines ganzen Trupps. Hier kam ein einzelner Drache, ein junges Männchen, das sich selbst etwas beweisen wollte.
    Das erzürnte die junge Frau. Dieser Drache war auf der Suche nach Selbstbestätigung. Er griff an, damit er in den Augen ranghöherer Drachen an Geltung gewann. Vielleicht legte er es auch auf die Bewunderung gewisser weiblicher Drachen an. Seine Forderung, mit der Meisterin zu sprechen, war nur eine List. In Wahrheit wollte er ihre Stärke auf die Probe stellen.
    Melisande hockte sich auf die Fersen, starrte in das Auge und konzentrierte sich auf den Drachen. Die Meisterin würde alles erfahren wollen, was Melisande herausfand.
    Drachenkunde war ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung der Schwestern. »Ihr müsst den Feind kennen«, predigte die Meisterin stets. Sie hatte die Schwestern alles gelehrt, was sie wusste, auch das, was sie von der vorherigen Meisterin und deren Vorgängerinnen wusste, bis zurück zur allerersten Drachenmeisterin.
    Wie die Menschen unterschieden sich auch die Drachen in Gestalt, Größe und Gewicht, in der Farbe ihrer Schuppen, Mähne und Augen, aber auch in Temperament und Persönlichkeit. Bellona war dunkelhäutig mit schwarzen Haaren und braunen Augen, während die blonde Melisande eine helle Haut und Augen von der Farbe des Lapislazuli in der Schale besaß. Die gegenwärtige Meisterin war dunkel wie Bellona, doch die vorherige hatte eher Melisande geähnelt. So war es auch mit den Drachen.
    In den Klassenzimmern standen steinerne Schalen mit den Schuppen jener Drachen, die versucht hatten, in das Königreich Seth einzudringen. Das kleine Mädchen, das die Magie gespürt hatte, war von diesen Schuppen fasziniert gewesen. Oft war Melisande ins Klassenzimmer gekommen, während die anderen Mädchen spielten, und hatte die Drachenschuppen betrachtet, die im Sonnenlicht glitzerten.
    Die Schuppen in der einen Schale waren schwarzblau wie Heidelbeersaft. Eine andere Schale barg hellgrüne Schuppen, die wie frische Frühlingsblätter schimmerten. Es gab blutrote oder feuerrote Schuppen, daneben amethystfarbene. Damals war es Melisande schwer gefallen, solch prachtvolle Schönheit mit diesen grausamen Geschöpfen in Verbindung zu bringen, doch ein Blick auf die Wandgemälde in den Räumen der Meisterin zeigte in allen Einzelheiten, welches Unheil die Drachen unter den Menschen anrichteten.
    »Die Schuppen junger Drachen«, hatte die Meisterin erklärt, »sind heller als die älterer Drachen. Drachen dunkeln mit der Zeit nach. Daher ist die Farbe ein Anhaltspunkt für das Alter eines Drachen. Sehr alte Drachen können nahezu schwarz erscheinen, ganz gleich
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