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Das Unsterblichkeitsprogramm

Das Unsterblichkeitsprogramm

Titel: Das Unsterblichkeitsprogramm
Autoren: authors_sort
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und sah Miriam Bancroft, die mit den Händen in den Taschen eines weiten wüstensandfarbenen Kostüms dastand, das offenbar die Haremsmode von Sharya zum Vorbild gehabt hatte. Ihr langes Haar wurde von einem Stück des ockergelben Stoffs bedeckt, und ihre Augen glitzerten in der Sonne. Plötzlich erinnerte ich mich daran, was Ortega über Nakamura gesagt hatte. Man wirbt mit ihrem Gesicht, um den Verkauf anzukurbeln. Jetzt sah ich es, die lässige Pose der Sleeve-Vorführung eines Modehauses.
    Ich ließ Curtis’ Haar los und trat zurück, während er sich aufrappelte. »In diesem Alter habe ich mich nicht so idiotisch benommen«, sagte ich, was jedoch nicht ganz die Wahrheit war. »Könnten Sie ihm bitte sagen, dass er das lassen soll? Vielleicht hört er ja auf Sie.«
    »Curtis, gehen Sie und warten Sie in der Limousine auf mich. Es wird nicht lange dauern.«
    »Wollen Sie ihn etwa…?«
    »Curtis!« In ihrem Tonfall lag liebenswürdiges Erstaunen, als hätte er sich einen peinlichen Fehler erlaubt, als wäre ein Widerspruch einfach nicht vorgesehen. Curtis errötete, dann stapfte er davon, mit Tränen der Entrüstung in den Augen. Ich blickte ihm nach, bis er außer Sichtweite war, während ich immer noch nicht überzeugt war, dass ich ihm keine weitere Lektion hätte erteilen sollen. Miriam Bancroft schien meinem Gesicht ansehen zu können, was mir durch den Kopf ging.
    »Ich hätte gedacht, ihr Hunger nach Gewalttätigkeiten wäre inzwischen gestillt«, sagte sie ruhig. »Suchen Sie immer noch nach Angriffszielen?«
    »Wer sagt, dass ich nach Angriffszielen suche?«
    »Sie.«
    Ich warf ihr einen schnellen Blick zu. »Daran erinnere ich mich nicht.«
    »Wie praktisch.«
    »Nein, Sie haben mich falsch verstanden.« Ich hob die leeren Hände. »Ich habe daran keine Erinnerung. Alles, was wir gemeinsam getan haben, ist ausgelöscht. Mir fehlen diese Erinnerungen.«
    Sie zuckte zusammen, als hätte ich sie geschlagen.
    »Aber Sie…«, stammelte sie. »Ich dachte… Sie sehen…«
    »Immer noch genauso aus.« Ich schaute an mir hinab, auf Rykers Sleeve. »Nun, von meinem anderen Sleeve war nicht mehr viel übrig, als man ihn aus dem Meer gefischt hat. Es gab keine andere Möglichkeit. Und die UN-Ermittler haben sich kategorisch geweigert, mich ein weiteres Mal doppelt zu sleeven. Was ich ihnen im Grunde nicht verdenken kann. Es ist schon schwierig genug, unseren ersten Split zu rechtfertigen.«
    »Aber wie haben Sie…?«
    »Entschieden, wer neu gesleevt wird?« Ich lächelte ohne großen Enthusiasmus. »Wollen wir hineingehen und darüber reden?«
    Ich ließ mich von ihr in den Wintergarten führen, wo jemand einen Krug und hochstielige Gläser auf den verzierten Tisch unter dem Märtyrerkraut aufgestellt hatte. Der Krug war mit einer Flüssigkeit in den Farben des Sonnenuntergangs gefüllt. Wir nahmen Platz, ohne Worte oder Blicke zu tauschen. Sie goss sich ein Glas ein, ohne mir etwas anzubieten, eine winzige Nachlässigkeit, die Bände sprach, was die Geschehnisse zwischen mir und meinem anderen Ich betraf.
    »Ich fürchte, ich habe nicht viel Zeit«, sagte sie geistesabwesend. »Wie ich Ihnen schon am Telefon sagte, hat Laurens mich gebeten, unverzüglich nach New York zu kommen. Ich wollte mich gerade auf den Weg machen, als Sie eintrafen.«
    Ich sagte nichts, sondern wartete ab, und als sie sich eingeschenkt hatte, bot sie auch mir ein Glas an. Die Geste wirkte grundfalsch, und offenbar konnte sie mir mein Unbehagen ansehen. Bei dieser Erkenntnis zuckte sie zusammen.
    »Oh, ich…«
    »Vergessen Sie’s.« Ich lehnte mich zurück und nippte am Drink. Unter dem lieblichen Geschmack verbarg sich eine leichte Schärfe. »Sie wollten wissen, wie wir entschieden haben? Wir haben darum gespielt. Schere schneidet Papier. Natürlich haben wir zuvor stundenlang darüber diskutiert. Man hatte uns in einem virtuellen Forum in New York untergebracht, mit sehr hoher Ratio und diskreter Abschirmung, während wir uns berieten. Für die Helden der Stunde wurden keine Kosten und Mühen gescheut.«
    Ich bemerkte, dass sich eine Spur Verbitterung in meine Stimme schlich, und ich musste innehalten, um mich zusammenzureißen. Ich nahm einen größeren Schluck vom Drink.
    »Wie ich bereits sagte, wir haben diskutiert. Sehr lange. Wir haben uns unterschiedliche Möglichkeiten ausgedacht, zu einer Entscheidung zu gelangen. Manche waren sogar brauchbar, aber am Ende begnügten wir uns doch mit Schere schneidet Papier. Mit fünf
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