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Das unsichtbare Buch

Das unsichtbare Buch

Titel: Das unsichtbare Buch
Autoren: Santiago García-Clairac
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dich nach Hause.«
    »Hör zu, César! Ich habe heute wirklich keine Lust zu reden. Ich hab schlechte Laune, alles geht total daneben. Außerdem habe ich mich heute Morgen mit Mama gestritten. Ich glaube nicht, dass sie mir erlaubt, später nach Hause zu kommen, verstehst du?«
    »Du hast dich mit deiner Mutter gestritten?«, hake ich neugierig nach.
    Als ich merke, dass sie nicht antworten will, beschließe ich, erstmal nichts mehr zu sagen. Ich glaube, das ist das Beste.
    »Ich möchte dir was zeigen«, sage ich noch, bevor ich mich endgültig in Schweigen hülle.
    Aber sie hört mir nicht zu. Sie scheint wirklich eine Stinklaune zu haben.
    Den ganzen Tag hat sie nicht ein einziges Mal den Mund aufgemacht, und in der Pause ist sie mir aus dem Weg gegangen.
    Dann ist der Unterricht endlich zu Ende, und der Lehrer schickt uns nach Hause. Ich gehe eilig hinaus, renne die Treppe hinunter und stelle mich nebenden Bus, der Lucía nach Hause bringen soll.
    Kurz darauf kommt Lucía. Sie geht langsam und sieht traurig aus. Als sie an mir vorbeigehen will, strecke ich den Arm aus und sage: »Hier, sieh mal!«
    Überrascht bleibt sie stehen und blickt auf die Blätter, die ich ihr vor die Nase halte.
    Als sie liest, was auf der ersten Seite steht, hellt sich ihr Gesicht auf.
    » Das unsichtbare Buch !«, ruft sie schließlich.
    Ich bewege mich nicht, sage nichts, blinzle nicht einmal.
    »Das ist ja der Roman deines Vaters!«, ruft sie begeistert. »Du hast ihn mir mitgebracht!«
    »Willst du ihn lesen?«, frage ich.
    Sie ist sprachlos. Sie hält die Hand vor den Mund und schaut sich nach allen Seiten um. Offensichtlich ist mir die Überraschung gelungen.
    »Komm, wir gehen in die Eisdiele«, bringt sie schließlich heraus. »Von dort aus kann ich auch meine Mutter anrufen.«
    »Das hab ich dir doch heute Morgen schon vorgeschlagen!«
    Keine Antwort. Sie packt mich am Arm und schleppt mich geradezu in die Eisdiele.
    »Setz dich schon mal«, fordert sie mich auf, »und bestell mir ein Vanilleeis mit Schokolade. Ich bin gleich wieder da.«
    Ich setze mich an einen der Tische und warte darauf, dass der Kellner kommt und mich fragt, was wir wollen.
    Ich gebe zu, dass ich ein wenig aufgeregt bin. Zum ersten Mal in meinem Leben werde ich mit einem Mädchen Eis essen. Es ist auch das erste Mal, dass ich zusammen mit einem Mädchen ein Buch lesen werde. Und gestern hat mich zum ersten Mal ein Mädchen bei einer Prügelei verteidigt. Na ja, schließlich gibt es für alles ein erstes Mal, nehme ich an …
    Obwohl ich zugeben muss, dass ich vor allem deshalb nervös bin, weil ich wahrscheinlich gleich etwas laut vorlesen muss. Bei dem bloßen Gedanken daran fange ich an zu schwitzen, und mir zittern die Hände.
    Der Kellner steht vor mir und schaut mich böse an.
    »Hier werden keine Hausaufgaben gemacht«, schnauzt er.
    »Wir machen keine Hausaufgaben, wir wollen nur was lesen.«
    »Das hier ist keine Bücherei«, kontert er.
    »Es dauert nicht lange«, verspreche ich. »Wir sind gleich wieder weg.«
    »Ich nehme an, ihr wollt was bestellen, oder?«
    »Zwei Vanilleeis mit Schokolade.«
    »Klein oder groß?«
    »Groß. Ja, zwei große Becher Vanilleeis mit Schokolade … mit viel Schokolade«, füge ich hinzu.
    Der Kellner sieht mich an, als hätte er mich nicht verstanden. Vielleicht glaubt er, ich wolle ihn auf den Arm nehmen. Wie soll ich ihm nur erklären, was los ist, dass ich supernervös bin und deshalb so viel rede!
    »Mit Kirschen?«, fragt er, während er die Bestellung notiert.
    »Mmmm … Ich glaube, ja.«
    »Glaubst du, oder bist du sicher?«
    »Ja, mit Kirschen.«
    »Für beide oder nur für dich?«, fragt er weiter.
    »Für beide«, entscheide ich. »Eine Kirsche auf jedem Eis.«
    Ich weiß nicht, warum, aber der Typ macht mich noch nervöser, als ich sowieso schon bin.
    »Macht sechs Euro fünfzig«, sagt er und legt den Bon auf den Tisch. »Sofort bezahlen.«
    Ich fische mein Geld aus der Hosentasche, bin mir aber nicht sicher, ob es reicht. Während ich die Münzen zähle, lächle ich den Kellner freundlich an. Ich bin drauf und dran, ihn im Scherz zu fragen, wie viel Rabatt er mir gibt, wenn er die Kirschen weglässt. Doch ich beherrsche mich, um ihn nicht noch mehr zu reizen.
    »Hast wohl nicht genug Geld dabei, was?«, fragt er grinsend. »Wenn du willst, lass ich die Kirschen weg, dann wird’s etwas billiger.«
    Es ist, als hätte er meine Gedanken erraten. Und dabei wird immer behauptet, Kellner hätten keinen
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