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Das unsagbar Gute

Das unsagbar Gute

Titel: Das unsagbar Gute
Autoren: Christian Mähr
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auch immer sein mag, sieht das idiotisch aus, bei einem Kater wie eine Entstellung, das Spiel einer bösartigen Natur. Der andere Kater war erst vor kurzem zugezogen, die Familie Stauber hatte ein Einfamilienhaus auf der anderen Seite der Leupold-Villa bezogen (günstig ersteigert, nachdem es in Laufe einer furchtbaren Scheidungsgeschichte des Erbauerehepaares auf den Markt gekommen war). Es soll Leute geben, denen das in allen Ecken hockende Unglück solcher Häuser den Erwerb verleiden würde; Staubers gehörten nicht zu dieser abergläubischen Sorte. Herr Stauber war Chefverkäufer eines großen Autohändlers, Frau Stauber Hausfrau, die beiden Söhne (vierzehn und sechzehn Jahre alt) gingen aufs Gymnasium. Sie hatten bis zu diesem Herbst in einer Vierzimmer-Eigentumswohnung am Stadtrand »gehaust«, wie Herr Stauber das nannte, jetzt erst, nach dem günstigen Griff nach ersteigertem Besitz, »wohnte« man; die anderen Familienmitglieder pflichteten ihm bei.
    Staubers hätten sich auf Befragen selbst als glückliche Familie bezeichnet. Herr Stauber war erfolgreich im Beruf, die Söhne nicht ganz so erfolgreich in der Schule – einzig Frau Stauber litt zuzeiten unter dem Gefühl des Unausgefülltseins, wogegen sie aber selber schon ein Heilmittel gefunden hatte: nämlich ein Tier, eine Katze, die man am günstigsten im örtlichen Tierheim bekommen konnte. So fand der andere Kater dieser Geschichte den Weg in das ebenfalls günstig erworbene Einfamilienhaus der Familie Stauber. Für den Paletot-Kater war es eine Verbesserung, was allerdings nicht viel besagt, denn fast jeder Haushalt in Dornbirn wäre eine Verbesserung gegenüber dem Tierheim gewesen. Im Tierheim war man mehr oder weniger dauernd eingesperrt; für einen Kater besonders unangenehm, weil ein solcher ein Territorium beansprucht, was in einem Tierheim nur sehr unvollkommen möglich ist. Der andereKater hatte viele Monate auf eine Änderung seiner Lage gewartet; wo er ursprünglich herkam, verliert sich im Dunkel der Geschichte, und wir wollen uns auch nicht damit belasten, dass wir gleichsam katzengeschichtlich vom Hundertsten ins Tausendste geraten. Der Grund für die lange Wartezeit, man muss es leider sagen, war die unmögliche Zeichnung des Katers, die das Tier lächerlich erscheinen ließ; traurig, wie sehr sich Menschen von solchen Äußerlichkeiten bestimmen lassen. Sie wandten sich nach dem ersten Blick von dem Kater ab und angenehm gestreiften Exemplaren zu. Mit den Staubers hatte der Paletot-Kater großes Glück, weil denen jedes ästhetische Empfinden abging und ihnen an dem Tier nichts Negatives auffiel.
    Ein Kater beansprucht ein Revier von dreihundert Metern in alle Richtungen, in städtischen Gebieten lässt sich das nicht verwirklichen, weshalb vernünftige Exemplare ihre Pirschgänge zu verschiedenen Zeiten auf denselben Grundstücken absolvieren und so kräftezehrende Revierkämpfe vermeiden. Die Klugheit eines Stadtkaters ging den beiden Landkatern ab; ihre Heime lagen zu nahe beieinander, es kam, wie es kommen musste: erhebliche Differenzen zwischen Sami und Kater Schnurrli über die Aufteilung von Grund und Boden.
    Kater Schnurrli war jünger und nicht so wohlgenährt wie Sami – wobei wir nicht andeuten wollen, er habe bei den Staubers nicht genug zu essen gekriegt, das nicht, aber Frau Stauber als Anhängerin gesunder Ernährungsweise fing jetzt nicht damit an, ausgerechnet den Hauskater zu mästen, der konnte froh sein, wenn sie bei ihm eine Ausnahme machte und die üblichen industriell hergestellten Lebensmittel aus dem Tierfutterladen servierte, was bei ihrer Familie nie in Frage gekommen wäre. Leider gab es von diesem herrlichen Industriefutter nicht die Mengen, die Schnurrli gern gefressen hätte. (Ich kürze den Namen von hier ab mit S. ab, das grenzdebile»Schnurrli« macht den ganzen Text kaputt; wenn also in Hinkunft von S. die Rede ist, meine ich den »anderen« Kater, ja, ich weiß, Sami beginnt auch mit einem »S«, ungünstig, aber was soll ich machen?)
    Zurück zu S.: Der war bei größerem Appetit auf den Mäusefang angewiesen, und dazu brauchte er ein Jagdrevier ausreichender Größe. Das schöne angrenzende Grundstück der Leupold-Villa war aber schon Samis Revier, der Konflikt damit programmiert. Nun war der Kater S. jünger und aggressiver als Sami, dessen Körpergewicht nach tierärztlicher Aussage außerdem an der oberen Grenze des Zulässigen lag, was die Verteidigung gegen den Eindringling nicht leichter
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