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Das unsagbar Gute

Das unsagbar Gute

Titel: Das unsagbar Gute
Autoren: Christian Mähr
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vergnügten sich in seinem eigenen Haus und warteten auf das Feuerwerk. Das würden sie gleich erleben, noch vor zwölf. Aber niemand würde zu Schaden kommen, das war Hildegards eiserne Bedingung gewesen. Er ging noch einmal durch alle Kellerräume, vermied dabei, in die klebrigen Pfützen zu treten, die er hinterlassen hatte. Das Labor hatte sich seit seinem letzten Besuch offenbar ausgedehnt, die Produktion schien gut zu laufen. Eine erstaunliche Zahl von Kühltruhen wies auf die Notwendigkeit hin, Chemikalien kalt aufzubewahren, sehr professionell das Ganze. Er ging zur Hintertür zurück.
    Da saß Sami.
    Mauritius Schott erstarrte. »Geh weg, Sami!«, rief er. »Geh raus!« Sami blickte ihn mit großen Augen an. Dann spazierte er an Schott vorbei in den Keller, entzog sich mit Leichtigkeit dem viel zu langsamen Zugriff des Menschen. Schott rannte fluchend hinter dem Kater her, aber der war in Sekundenschnelle im Inneren des Hauses verschwunden. Schott fluchte vor sich hin. Das Haus nach dem Tier abzusuchen, hatte keinen Zweck, das würde zu lang dauern, er hatte ja manchmal Mühe, den Kater im eigenen Haus aufzuspüren, wo es nicht so viele Verstecke gab wie in dem riesigen alten Kasten. Schott kehrte zur Hintertür zurück. Es hatte keinen Zweck, die Sache war gelaufen.
    Nicht eine Sekunde, nicht einmal den Bruchteil einer Sekunde kam ihm der Gedanke, die auch als »Napalm B« bekannte klebrige Substanz doch anzuzünden – trotz des Katers im Haus. Die Idee hatte einfach keinen Platz in seinem Bewusstsein, was uns zur unwiderlegbaren Folgerung führt, dass es sich bei Mauritius Schott um einen guten Menschen handelte. Ein Dieb zwar, aber ein guter Mensch, der nicht eine hilflose Kreatur irgendwelchen moralischen Ansprüchen opferte wie dem, ein Drogenlabor zu zerstören. Da sagen wir: Bravo!
    Als Schott eben die Hintertür zuziehen wollte, um Hildegard vom Misserfolg zu erzählen, tauchte der Pferdedeckenkater der Familie Stauber aus dem Nebel auf und trabte neben Schott in die Leupold-Villa. »Was ist nur mit euch los?«, sagte er. »Ich dachte, ihr seid alle so geräuschempfindlich, warum versteckt ihr euch nicht vor dem Krach?« Von innen kam Knurren, gedämpftes Kreischen, Pfotengetrappel. Dann schossen die beiden an Schott vorbei hinaus in den milchigen, von Böllerexplosionen erhellten, nach verbranntem Pulver stinkenden Chemienebel und verschwanden. Schott besaß die Geistesgegenwart, den Katzenschlupf zu sperren und endlich das selber gemixte »Napalm B« anzuzünden. Das Ergebnis entsprach nicht den Erwartungen. Das Zeug brannte mit träger, stark rußender Flamme; Schott hatte sich auf etwas Feuerballmäßiges vorbereitet, wie man es aus Actionfilmen kannte, orangerote Explosionen, eine steil aufschießende Flammenwand. Er machte die Tür zu und ging zu seinem Haus zurück. Die Katzen waren draußen, der Brand entwickelte sich, wie er sich eben entwickelte, daran war jetzt nichts mehr zu ändern. Die Sachverständigen würden Brandstiftung feststellen, aber das war einkalkuliert, damit fiel der Verdacht auf konkurrierende Drogenproduzenten; Hildegard vertraute darauf, das Labor werde auch im Zustand pyrotechnischer Verheerung noch als solches erkennbar sein.
    Sei es, dass sich Schott beim Anrühren der Mischung verschätzt hatte, sei es, dass der Luftdruck eine Rolle spielte oder der böllerinduzierte Nebel – die Leupold-Villa brannte nicht wie erwartet, wenigstens am Anfang. Für Dr. Romuald Nowak hatte das (wenn man so will) den Vorteil, dass er im Schlaf an den zunächst entstandenen Rauchgasen erstickte, die das Haus füllten, bevor auch nur eine merkbare Temperaturerhöhung in den obersten Stock vorgedrungen war. Seine Leiche erwies sich später als die am meisten in Mitleidenschaft gezogene und konnte nur anhand des Zahnschemas identifiziert werden.
    Den Brand bemerkte als Erster Anwalt Dr. Hintergschwandtner (ich habe ja gesagt, er wird uns noch begegnen!), der sich auf der Fahrt zu einer Silvesterfeier bei Freunden befand. Der Nebel hatte sich gelichtet, aus den Fenstern des Hauses schlugen Flammen, und Dr. Hintergschwandtner verständigte die Feuerwehr. Die Partygäste im Hause Schott wurden erst durch die Sirenen der eingetroffenen Wehren auf den Brand aufmerksam. Als sie vors Haus rannten, erschütterten mehrere dumpfe Explosionen die Leupold-Villa, die gelagerten Lösungsmittel taten endlich, was man von ihnen erwarten durfte. »Es brannte wie das Höllenfeuer«, würde Herr Stauber,
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