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Das unsagbar Gute

Das unsagbar Gute

Titel: Das unsagbar Gute
Autoren: Christian Mähr
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Nach Feldkirch, dort muss ich … um… umsteigen …« Sie fing an zu lachen. »Vielleicht auch nicht, ich seh’s dann ja …«
    »Aha. Und was wollen Sie jetzt …?«
    »Margit ist nach Schpan… Spanien gefahren. Aber ich … ich fahr nicht nach Spanien, Herr … Herr Dr. Nowak, ich nicht, ich brauch nicht dorthin zu fahren …«
    Das war schlecht, dass sie jetzt anfing, besoffen von ihrer Schwester rumzuquatschen. Er hörte keine Hintergrundstimmen, konnte aber kaum davon ausgehen, dass sie an diesem Abend allein im Zug saß. Sie hatte ihm von der bevorstehenden Untersuchung erzählt.
    »Wieso sind Sie nicht in Innsbruck?«, fragte er.
    »War ich doch …« Romuald vernahm Schluckgeräusche.
    »Was trinken Sie da?«
    »Schampan… Schampagner, Herr Dr. Nowak, das sollten Sie auch tun, schmeckt wirklich … su… superb.« Sie kicherte.
    »Hören Sie, Frau Kaserer, ich bin auf dem Fest beim Schott, könnten wir nicht morgen weiterreden?«
    »Ich komm vielleicht auch noch hin.«
    In Romualds Kopf schrillten mehrere Alarmglocken zugleich. Mit einem Schlag wurde alles klar. Marie Kaserer hatte ein schlimmes Ergebnis gehabt. Es würde etwa mit den Worten begonnen haben: »Tut mir wirklich sehr leid, Frau Kaserer,aber die letzte CT zeigt eindeutig …« Warum ließen die dann die Frau allein mit dem Zug heimfahren? Jetzt war sie auf dem Weg hierher und würde alles Mögliche erzählen. Über den Dr. Nowak, die Vorgänge um die Frau Leupold, den Tiger, Margit … und dann zusammenbrechen. Oder umgekehrt, das war auch schon egal.
    »Frau Kaserer, Sie kommen erst zu mir, haben Sie verstanden? Sie gehen nicht zum Schott. Wir gehen dort gemeinsam hin, einverstanden?«
    »Wenn Sie möchten …« Rülpsen kam durch den Hörer.
    »Frau Kaserer, ist Ihnen nicht gut?« Das fehlte noch, dass sie im Zug zusammenbrach und dann in irgendeiner Notaufnahme zu plaudern begann. Plaudern durfte sie überhaupt nicht. Nicht am letzten Tag des alten Jahres, nicht am ersten des neuen und an keinem der folgenden Tage. Wenn sie jetzt zu saufen anfing, war das nicht gewährleistet. Sie musste zumindest so lange schweigen, bis Manfredo die nächste Portion Amphetamin unters Volk gebracht hatte. Die mit dem Theophanin-Anteil. Manfredo wusste nichts davon, auch sonst kein Mensch, aber bald würde es die ganze Welt wissen. Und dadurch ein besserer Ort werden.
    »Ist nur der Scham… Schampagner«, sagte sie. »Die Kohl… Kohlensäure …«
    »Was? Ach so … warum trinken Sie auch Champagner im Zug?«
    »Zum Feiern. Schon die zweite … Flasche.«
    »Sie feiern? Wieso denn? Ich dachte …«
    »Weil er weg ist.«
    »Wer ist weg?«
    »Der Tumor. Der Primus … Prim… Der Primarius hat gesagt, so was von schpon… schpontaner … Re… Remu… Remion …«
    »… spontaner Remission?!«
    »Ja, genau … hat er noch nie nicht … niemals gesehen … schön, nicht?«
    »Was? Ja, sehr schön. Hören Sie, Frau Kaserer, Sie kommen zuerst zu mir, wenn Sie da sind, okay? Und nehmen Sie ein Taxi. Ich bezahl’s!«
    »Jawohl, mach ich. Jetzt bin ich ein bisschen … müde. Wiedersehen!« Das Gespräch war beendet. Romuald steckte das Handy ein. Hinter ihm tobte die Party im Schott’schen Einfamilienhaus. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Das musste er aber. Jetzt gleich. Er ging, ohne sich umzudrehen, zur Leupold-Villa hinüber, legte sich in seinem Schlafzimmer auf die Couch. Er lag auf dem Rücken, faltete die Hände auf dem Bauch und überließ sich dem Gefühl des welterschütternden Triumphes, das ihn überkam wie die Woge eines tropischen Meeres.

    *

    Hildegard und Schott hatten den Beginn der Aktion auf halb zwölf festgesetzt. Wegen des Krachs. In Dornbirn war es nämlich üblich, die Silvesterböllerei schon Tage vorher beginnen zu lassen; am letzten Tag des Jahres krachte und krawallte es dann ab Einbruch der Dämmerung in einer Tour und steigender Intensität bis zum Höhepunkt um zwölf. Lärmmäßig wäre deshalb Mitternacht am besten gewesen (bei ihrem Plan kam es darauf an, gewisse Geräusche im allgemeinen Pegel untergehen zu lassen), aber um Mitternacht standen auch alle Vorarlberger, es mochte stürmen oder schneien, vor ihren Häusern, um selber Feuerwerke abzuschießen oder die der Nachbarn zu bewundern, auch war es üblich, sich den Nachbarn zuzuwenden, ihnen zuzuprosten, »Prosit Neujahr!« zu wünschen und so weiter – auf jeden Fall würden sie die Gegenwart einer Person in der
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