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Das unanständige Foto

Das unanständige Foto

Titel: Das unanständige Foto
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kurzatmiger.
    »Wenn man bedenkt«, sagte er manchmal, »daß ich dazu ausersehen war, ganze Organe zu verpflanzen und die Chirurgie zu revolutionieren, nun aber hier in den Wäldern herumsitze und festsitzende Fürze lockern muß, dann fällt das Elend der ganzen Menschheit auf mich hernieder.«
    Daß er nach Kasutins Anruf sofort kommen konnte, verdankte er seiner Art, mit den Patienten umzuspringen. Mit dem Parteisekretär verband ihn die Liebe zum Schachspiel, das die einzige Abwechslung war, die sich Dr. Lallikow gönnte, es sei denn, man rechnete zu seinen Liebhabereien noch das wöchentliche Klistier hinzu, das er dem Popen Väterchen Akif verabreichen mußte.
    »So weit geht Gottes Güte nicht, daß er sich auch noch um den lahmen Darm seines Popen kümmert!« rief Dr. Lallikow jede Woche einmal mit unterdrückter Freude in der Stimme, wenn Väterchen Akif mit verkniffenem Gesicht auf dem Bauch lag und seinen nackten Hintern ihm entgegenstreckte. »Väterchen, tief Luft holen. Jetzt gurgeln wir mal kräftig.«
    An diesem Morgen nun, nach Kasutins Notruf, riß Dr. Lallikow die Tür zu seinem Wartezimmer auf, überblickte die Schar der wartenden Patienten und brüllte: »Fließt einer weg? Nein! Fällt einer um? Nein! Ihr könnt alle warten, ihr glotzäugigen Simulanten! Ich muß weg zu einem lebensbedrohlichen Fall!«
    Da niemand wagte, Dr. Lallikow zu verärgern – schließlich war er der einzige Arzt in Nowo Korsaki, und man wußte nie, ob man ihn nicht bald wirklich dringend brauchen würde –, nickten sie alle, machten traurige Gesichter und blieben geduldig sitzen.
    Auch das hatte seinen Sinn, denn wenn Lallikow nicht in der Praxis war, gab es immer noch die Sprechstundenhilfe Marfa Felixowna.
    Marfa hatte eigentlich Schneiderin gelernt, was Lallikow als beste Eignung dazu ansah, Verbände zu wickeln und Fäden zu ziehen. Und tatsächlich hatte sich Marfa gut eingearbeitet. Sie schmiß die Praxis zu 80 Prozent allein, bildete sich durch die Lektüre von Fachzeitschriften weiter und stieß dabei auf den Titel ›Medizinische Assistentin‹. Da sie mit Berechtigung annahm, die Arbeit einer solchen bei Dr. Lallikow zu verrichten, verlangte sie ab sofort, daß man sie ›Frau Assistentin‹ titulierte. Die Patienten schwenkten willig um und begrüßten sie ehrfurchtsvoll mit der neuen Bezeichnung, denn kein Mensch fühlt sich armseliger als ein Patient, der voll und ganz der Gnade ärztlicher Behandlung ausgesetzt ist. So kam es, daß man aufatmete, wenn Dr. Lallikow plötzlich die Praxis im Stich lassen mußte und Marfa Felixowna den Laden übernahm. Erstens ging dann alles schneller, zweitens wurde man nicht beschimpft, drittens hatte Marfa sensible, weiche Hände, von denen man sich gern abtasten ließ, und viertens stimmten ihre Diagnosen fast immer. Sie waren differenzierter als jene von Dr. Lallikow. Wenn Lallikow brüllte: »Du hast Rückenschmerzen, sagst du? Da haben wir es wieder! Hast gestern am Sonntag wieder gefressen wie ein Bär, und jetzt staut sich alles im Darm! Komm wieder, wenn du den Kübel voll hast!«, dann konnte man von Marfa Felixowna hören: »Das böse Rheuma. Hier hast du eine gute Salbe. Abends kräftig in den Rücken einmassieren.«
    Man kann verstehen, daß man Marfa als einen wahren Segen ansah, der aber leider ohne Dr. Lallikow nicht möglich war.
    Kasutin und Babajew zuckten zusammen, als Dr. Lallikow in das Parteibüro stürmte und die Sekretärin Dunja Sergejewna mit der Bemerkung ausschaltete: »Halt den Mund, Druckflecke kann man überpudern.«
    Kasutin zuckte wie unter einem heftigen Schlag zusammen und starrte den Arzt irritiert an. »Was sagen Sie da, Genosse Lallikow?« fragte er mit rostiger Stimme.
    »Sie haben nichts gehört«, knurrte Lallikow und setzte sich neben Babajew. »Ich unterliege der ärztlichen Schweigepflicht.«
    »Wieso hat Dunja Sergejewna Druckflecken?« fragte Kasutin trotzdem mit einem Beben in der Stimme. »Und wo, bitte, hat sie diese?«
    »Warum sollte ich sofort kommen?« wich Lallikow aus.
    »Wegen der Schweigepflicht«, warf Babajew dazwischen.
    »Die ist eisern.«
    »Dem Himmel sei Dank.« Babajew rieb sich die Hände. »Sie können uns eine wertvolle Hilfe sein, Doktor.«
    Kasutin winkte mit beiden Händen ab. »Was ist mit Dunja?« bohrte er weiter. »Genosse Lallikow, als Parteisekretär und Arbeitgeber bin ich für das Wohl meiner lieben Bürger verantwortlich. Wieso tauchen bei Dunja Sergejewna Druckflecken auf? Seit wann? Sind sie
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