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Das unanständige Foto

Das unanständige Foto

Titel: Das unanständige Foto
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gewesen? Kaum zu zählen! Und jedesmal hatte sich Vera wie ein junges Mädchen benommen, hatte besonders gut gekocht und war herumgehüpft wie ein Fohlen. Völlig verändert war sie jedesmal gewesen, wenn Jankowski sich angemeldet hatte. Ja, genau so war es. Kasutin fiel es wie Schuppen von den Augen. Und die Fotos stimmten dazu. Das waren nicht Bilder der Schenkel eines jungen Mädchens, sondern Bilder einer gesunden, kräftigen Frau von 39 Jahren. Vera Konstantinowna Kasutina! O Gott, halt mich fest, daß ich nicht mein Gewehr aus dem Schrank reiße und zu Jankowski renne! Ich weiß ja gar nichts, ich darf die Fotos ja gar nicht gesehen haben. Es muß alles in der Stille erledigt werden. Bisher war Nowo Korsaki eine Stadt ohne Skandale gewesen …
    »Natürlich müssen wir Dr. Lallikow einweihen«, sagte Babajew eindringlich. »Die Reihenuntersuchung kann nur er vornehmen. Dann wird es ganz einfach sein. Ich stehe hinter einer Wand, gucke durch ein Loch und habe dabei die Bilder in der Hand. Mein fotografisches Auge sieht sofort, wenn das Modell Jankowskis sich vor Dr. Lallikow dreht. Ich gebe dir dann ein Zeichen.«
    »Es wird unmöglich sein.« Kasutin schüttelte den Kopf. »Dr. Lallikow wird nie zulassen, daß du dir alle Frauen von Nowo Korsaki nackt betrachtest. Welch ein Gedanke!«
    »Aber Dr. Lallikow darf das schon?«
    »Dafür hat er Medizin studiert. Ärzte im Amt sind geschlechtslose Wesen. Ein wirklich schwerer Beruf.« Kasutin blickte aus dem Fenster. Draußen fuhr der dicke Baubeauftragte Zwetkow vorbei; er war der einzige, der einen großen Wolga-Wagen besaß. Seine Frau, Antonina Pawlowna, saß neben ihm. Sie war bekannt für ihre Schönheit, nur schminkte sie sich zu stark. Beim Fest der Komsomolzen hatte sie den ganzen Abend mit dem Geologen Jankowski getanzt. Der gutmütige Zwetkow hatte sich darüber gefreut, er war fürs Tanzen zu dick geworden.
    Kasutin erstarrte, blickte wieder auf die unanständigen Fotos und wurde von Zweifeln zerrissen. Dunja, Vera oder vielleicht Antonina Zwetkowa? Babajew hatte recht: Hier mußte eine Klärung erfolgen. Es war mörderisch, mit dieser Ungewißheit zu leben. Die nackte Schöne mußte einen Kopf bekommen und damit eine Identität.
    Kasutin griff zum Telefon und rief Dr. Lallikow an. »Ich brauche Sie dringend, Simon Michailowitsch«, sagte er heiser. »Mir zerspringt sonst der Kopf.«
    Dr. Lallikow kam sofort. Er war ein kleiner, fetter Mensch und trug eine Brille, deren Gläser so dick und geschliffen waren, daß jedem, der nur die Brille ansah, sofort die Augen tränten. Er war kurzatmig, was er aber nicht seiner Fettleibigkeit zuschrieb, sondern einem rein psychischen Leiden, erzeugt von seinen teuflischen Patienten, die ihm die Lunge einengten und das Herz abdrückten, wie er behauptete.
    Von der Ausbildung her war Lallikow nämlich Chirurg und hatte Jahre davon geträumt, Chefarzt einer großen Klinik zu werden. Aber dann war ihm der Hodenbruch des Vorsitzenden des Eisenkombinats ›Ehre des Ural‹ in Swerdlowsk dazwischengekommen. Boris Nikolajewitsch Werschokin, so hatte der einflußreiche Mann geheißen, hatte sich mit seinem lästigen Bruch in die Hände von Dr. Lallikow gegeben, in der berechtigten Hoffnung, nach wenigen Tagen wieder herumspringen zu können wie ein Böcklein. Lallikow hatte phantastisch operiert, weggeschnitten, ausgeräumt, geradezu künstlerisch genäht, aber als der Genosse Werschokin frohgemut wieder ins häusliche Reich zurückgekehrt war und seine liebebedürftige Frau Praskuja ihren Erwartungen handgreiflichen Ausdruck verliehen hatte, war ihr ein Entsetzensschrei entfahren, während Boris Nikolajewitsch in einen erstarrenden Schock gefallen war.



Die Sache war nicht mehr reparabel gewesen: Dr. Lallikow hatte den Vorsitzenden Werschokin in höchster künstlerischer Vollendung entmannt. Natürlich war der Skandal unterdrückt worden und hatte man Werschokin daran hindern können, Lallikow die Hirnschale einzuschlagen, aber mit der großen Karriere des Chirurgen Lallikow war es ein für allemal vorbei. Dr. Lallikow hatte in der Klinik die Obduktion der Gestorbenen, deren Todesursachen nachgegangen wurde, übernehmen müssen. Er hatte sich vor Kummer dann in drei Jahren seinen ungeheuren Bauch angefressen und schließlich entnervt aufgegeben. Er war nach Nowo Korsaki gezogen, wo man eine Arztstelle ausgeschrieben hatte. In seiner Praxis dort raunzte er die Patienten an und wurde vor Gram immer dicker und
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