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Das unanständige Foto

Das unanständige Foto

Titel: Das unanständige Foto
Autoren: Heinz G. Konsalik
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unbedingt außer der Reihe den Genossen Parteisekretär sprechen müsse. Kasutin blickte betroffen auf die Uhr, sah, daß es kurz nach neun war, und ließ Babajew sofort eintreten. Wie immer am Morgen hatte Kasutin gerade gefrühstückt, las dabei die Zeitung und ließ sich von Dunja Sergejewna bedienen. Sie schmierte ihm ein Brot mit Butter und Honig, schüttete ihm den Tee ein, süßte diesen, goß Sahne dazu und servierte ihm die Herrlichkeiten von hinten, indem sie ihm dabei ihren Busen auf die Schulter legte. Das Frühstücksvergnügen wurde noch verstärkt dadurch, daß Kasutins Frau Vera und die beiden Kinder eine Ferienreise nach Rostow angetreten hatten, also weit genug weg waren, um den Familienvorstand vor Überraschungen sicher sein zu lassen.
    »Mein guter Nikita Romanowitsch, du erschreckst mich«, sagte Kasutin, als Babajew ins Zimmer stürmte. »Du lieber Himmel, wie siehst du denn aus, hast du ein Gespenst im Haus?«
    Babajew setzte sich ächzend, legte das große Kuvert auf den Tisch und holte ein paarmal tief Luft. Dunkle Schatten umrandeten seine Augen, bleich waren die Lippen, sie zitterten, und die Wangenmuskeln zuckten. Babajew schielte zu Dunja Sergejewna hinüber, die an der Tür stand und wartete. Er hob die Hand, bohrte verzweifelt mit dem Daumen in der Nase und winkte dabei mit dem kleinen Finger. Kasutin verstand endlich.



»Ich rufe dich wieder, Genossin«, sagte er amtlich.
    Dunja verließ den Raum. Mit einem Seufzer sackte Babajew in sich zusammen. Er öffnete die Lasche des Kuverts, aber zog den Inhalt nicht heraus.
    »Du kennst Victor Semjonowitsch Jankowski?« fragte er rauh.
    Kasutin hob die Augenbrauen. »Aber ja!« sagte er. »Wer kennt ihn nicht? Was willst du?«
    »Was hältst du von ihm?«
    »Er ist kein gewöhnlicher Mann.«
    »Das kann man sagen.« Babajew schnaufte durch die Nase. »Und du kennst mich auch …«
    Kasutin wurde vorsichtig. Er betrachtete Babajew genauer und schüttelte den Kopf. »Betrunken siehst du nicht aus.«
    »Ich war immer ein ehrlicher Mensch, immer vertrauenswürdig, immer verschwiegen, diskret wie eine weiß getünchte Mauer, ein ehrlicher Freund, ein fleißiger Bürger, ein treuer Kommunist, ein anständiger Christ …«
    »Willst du ein amtliches Führungszeugnis?« fragte Kasutin ungeduldig. »Wer um 9.00 Uhr morgens zu mir kommt …«
    Babajew hob beide Arme, als müsse er einen Geist beschwören, zog dann die Vergrößerungen aus dem Kuvert und legte sie mit den Vorderseiten nach unten auf den Tisch. Kasutin spürte ein Kribbeln unter seinen Haaren. Die große Angst aller Russen, in seiner Umgebung könne sich ein Spion oder sonst etwas Staatsgefährdendes herumtreiben, ergriff auch ihn. Bisher war Nowo Korsaki von solchen Problemen verschont geblieben, mit Ausnahme des Streits, den Kasutin mit der Parteileitung in Magnitogorssk hatte ausfechten müssen, von der ihm vorgeworfen worden war, er dulde noch immer eine Kirche und einen Popen in seiner kleinen Stadt. Das sei eine Schande. Kasutin hatte daraufhin den Ersten und den Zweiten Sekretär der Parteileitung nach Nowo Korsaki zur Jagd eingeladen, damit sie sich selbst ein Bild von der Bevölkerung machen konnten. Auch der Pope, Väterchen Akif, zog mit hinaus in die Wälder. Zwei Trupps wurden gebildet, und irgendwie geschah es, daß sich der Trupp mit den beiden Gästen verirrte und hilflos umherirrte. Der mitgegebene korsakische Bürger Iwan Filippowitsch Putschkin entpuppte sich in dieser Situation als Schwachkopf und Angsthase, der sich auf einen Baumstumpf setzte und resignierte, bittere Tränen weinte und verzweifelt nach dem Popen rief, damit er noch ein letztes Mal beichten könne, bevor die Wölfe ihn zerreißen würden.
    Die Gäste aus der Hauptstadt lernten das große Zittern. In der folgenden Nacht, an einem winzigen Feuer, das wegen des nassen Holzes erbärmlich qualmte, hörten sie das Heulen der Mörderrudel, mal näher, mal weiter weg, aber stets um sie herum, und das fuhr ihnen so in die Knochen, daß der Erste Sekretär in dieser Nacht fünfmal hinter einem dicken Baum verschwand, sich hinhockte und seine Angst aus dem Darm drückte.
    Und immer wieder heulten die Wölfe. Zuletzt so nahe, daß der halbblöde Iwan Filippowitsch auf die Knie fiel, ein Kirchenlied sang und betete.
    »Nun reicht's«, flüsterte damals Kasutin dem Popen Akif zu, der ein Wolfsgeheul so erschreckend nachmachen konnte. »Jetzt werden wir sie retten.«
    Väterchen Akif nahm daraufhin sein Gewehr
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