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Das unanständige Foto

Das unanständige Foto

Titel: Das unanständige Foto
Autoren: Heinz G. Konsalik
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das ist mehr als toll! Ganz ruhig, Nikita Romanowitsch … laß dich nicht von einem Schlaganfall umwerfen. Behalte die Nerven. Atme tief durch, geh zurück in die Dunkelkammer und vergrößere auch die anderen Fotos. Ganz ruhig …«
    Eine Stunde später hingen die zwölf Vergrößerungen hochglänzend und scharf vor Babajew. Er saß da mit gefalteten Händen, genoß den Anblick und war sich klar darüber, daß er diese Nacht nicht würde schlafen können. Auch ein Fotograf hat eine angreifbare Seele.
    Erschüttert entledigte sich Nikita Romanowitsch seines Auftrags, vergrößerte die zwölf Fotos auf das gewünschte Maß von 18x18, steckte sie in ein großes Kuvert, schrieb darauf mit Rotstift ›Für den Genossen Jankowski‹ und verschloß die Bilder in der Schublade.
    Dann kehrte er zurück zu seinen privaten 24x24-Vergrößerungen, lehnte sich im Sessel weit zurück und ließ den Blick über die zwölf Fotos schweifen. Ab und zu trank er einen Schluck Wodka, holte sich eine große Zwiebel, schälte und aß sie und verzehrte dazu auch noch einen Kanten Brot.
    »Ungeheuerlich«, sagte er ab und zu. »Eine grandiose, herrliche Schweinerei. Und das in Nowo Korsaki! Eine Gemeinheit ist die Anonymität. Aber ich bekomme es heraus. Ich bekomme es heraus! Victor Semjonowitsch Jankowski, Sie sind ein beneidenswertes Schweinchen. O Gott, haben Sie es faustdick hinter den Ohren! Ich wette, Sie werden nicht einmal verlegen oder rot, wenn Sie die Bilder von mir abholen. Ha, wie abgebrüht müssen Sie sein!«
    Babajew hatte wirklich eine schlechte Nacht.
    Mit dem Genossen Parteisekretär Pjotr Dementijewitsch Kasutin konnte jeder sprechen, wenn er zwischen 11.00 und 12.00 Uhr im Parteihaus erschien und etwas wirklich Wichtiges vorzutragen hatte. Waren es aber nur Schwätzereien, und darüber entschied Kasutin allein kraft seines Amtes, trug das eine Strafe wegen Diebstahls an volkseigener, wertvoller Arbeitszeit ein. Wer nicht mit Rubeln bezahlen konnte, mußte Naturalien abliefern, etwa Speck oder Eier, Salzfleisch oder Marmelade, oder er mußte eine Stunde lang unentgeltlich für die Stadtsäuberung tätig sein. Durch solch fortschrittliche Methoden war Kasutin zu einem der am wenigsten belästigten Männer von Nowo Korsaki geworden. Oft konnte er zur Jagd gehen, widmete sich aber auch dem Studium der Parteischriften und glänzte bei Feiertagsreden mit Zitaten von Lenin, Marx, Breschnew und mit herzergreifenden Worten großer russischer Dichter. Der Pope Akif hatte es schwer, sich dagegen zu behaupten; mit frommen Bibelsprüchen war da wenig auszurichten; das klang alles sehr veraltet gegen die markigen Worte von Kasutin, bis Akif sich erinnerte, daß es im fernen Westen einen Priester mit Namen Abraham a Santa Clara gegeben hatte, dem es gelungen war, mit Flüchen und Verwünschungen die Kirchen zu füllen. Akif versuchte das nun auch, nachdem er vorher Gott um Verzeihung gebeten und eine dicke Kerze angezündet hatte.
    Erstaunt hörten die Gläubigen eines Sonntags, wie Akif Victorowitsch mit Donnerstimme über ihre Häupter brüllte: »Was muß ich da hören? Da treibt ihr Hurerei und freßt euch die Wänste voll und sauft wie die Kühe im Trockenjahr! Hebt bloß nicht eure Köpfe! Euer sündiger Blick könnte den Himmel aufreißen!«
    Nach der Predigt erschien Kasutin durch den Hintereingang in Akifs Wohnung und blickte ihn finster an. »Soll das ein neuer Stil sein?« fragte er ahnungsvoll.
    »Ja«, erwiderte Akif.
    »Wo soll das hinführen?«
    »Zur Wahrheit. Ich werde jedem seine Sünden öffentlich vorhalten.«
    »Die werden Ihnen die Kirche stürmen.«
    »Ja, aber auf den Knien.«
    »Man wird alles dementieren.«
    »Das ist eure Stärke. Ich weiß es. Pjotr Dementijewitsch, Sie haben Ihre Lenin-Zitate, ich greife ins volle Menschenleben.«
    »Was wissen Sie von mir?« fragte Kasutin, vorsichtiger gestimmt. »Väterchen Akif, man kann in aller Ruhe darüber reden.«
    Mamedow war klug genug, nicht zu sagen, daß er gar nichts wußte. Er blinzelte Kasutin nur wie einen Verschwörer an, kniff ein Auge zusammen, lächelte breit, strich über seinen langen Bart und hüstelte impertinent. Kasutin erbleichte leicht, winkte ab und wandte sich zum Gehen.
    »Sie können jederzeit wiederkommen«, rief Akif ihm nach und rätselte seit diesem Gespräch daran herum, welcher unbekannten Gemeinheit Kasutin wohl zu bezichtigen war.
    Heute nun meldete Kasutins Sekretärin, die muntere Dunja Sergejewna, daß der Genosse Babajew
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