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Das unanständige Foto

Das unanständige Foto

Titel: Das unanständige Foto
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und ballerte los, brüllte und keuchte und brach als Erlöser aus dem Dickicht auf den Rastplatz. Er sah imponierend aus mit seinem eisverkrusteten Pelz und dem gefrorenen Bart.
    »Sie sind weg!« schrie er und schwenkte sein Gewehr. »Zwei habe ich erlegt, und die anderen … hui, fort sind sie! Feige Burschen alle! Man muß ihnen nur mutig gegenübertreten, so wie Sie, Genossen aus Magnitogorssk! Bravo, ihr harten Männer!«
    Drei Tage später reisten die Parteifunktionäre wieder ab. Von einer Schließung der Kirche wurde nie wieder gesprochen.
    Das war also die einzige Schwierigkeit gewesen, die Kasutin bisher gehabt hatte. Nun saß der Fotograf Babajew vor ihm, um 9 Uhr in der Früh, zitternd und bleich, und legte noch unbekannte Fotos vor, denen etwas Ungeheuerliches anhaften mußte.
    »Was … was hast du da fotografiert?« fragte Kasutin mit vorsichtiger Stimme.
    »Ich nichts. Der Genosse Jankowski. Ich habe die Bilder nur entwickelt und vergrößert.«
    Jankowski! Meine Ahnung, dachte Kasutin. Mein Gefühl. Meine innere Stimme. Schon als er das erstemal hier hereinkam, groß, blond, ungehemmt, da wußte ich: Mit dem bekomme ich Schwierigkeiten. Das ist ein Mensch, so kraftvoll, so siegessicher, der spuckt einem ins Gesicht und ruft dazu noch Prost.
    Jankowski also. Trotz dreier Unterschriften und vier Stempeln. Welch vollkommene Tarnung! Geologe! Da kommt man mit seinen Instrumenten überall hin, da fällt nichts auf von dem, was man tut. Da kann man zusehen, und der Kerl spioniert.
    »Was ist auf den Fotos zu erkennen?« fragte Kasutin gepreßt.
    »Ich bitte um strengste Diskretion.« Babajew hob das erste Foto hoch und hielt es Kasutin vor die Augen. »Und bitte Ruhe bewahren.«
    Kasutin starrte die Vergrößerung an, beugte sich vor, seine Augäpfel begannen zu vibrieren.
    Babajew nickte.
    »Das sind Bilder, was?« sagte er gedehnt.
    Kasutin nahm den Kopf zurück, wischte sich fahrig über die Augen und zeigte dann auf den flachen Stapel.
    »Alle so?« fragte er heiser.
    »Ja.«
    »Alle mit dem nackten Weib?«
    »Alle. Mal von vorn, mal von der Seite, mal von hinten, dann schräg von oben, schräg von unten …«
    »Hör auf, Nikita Romanowitsch!« rief Kasutin. »Das ist ja unglaublich!«
    »Überzeuge dich. Ein Foto schlimmer als das andere. Das sind wirklich Gipfelpunkte an Unanständigkeit.«
    »Fotos unseres Genossen Jankowski?«
    »Das ist es ja, Pjotr Dementijewitsch.« Babajew breitete die Bilder nun nebeneinander aus. Kasutin liefen die Augen fast über. Da dehnten sich die Schenkel, rundeten sich die Hüften, wölbten sich die Brüste, glänzten die Leiber, schimmerten die Schultern, spannten sich die Rückenmuskeln, lockten die Hinterbacken. – Jankowski war ein Meisterfotograf.
    »Dies hier ist offensichtlich eine wunderschöne Frau, und sie muß in Nowo Korsaki wohnen«, erklärte Babajew. »Der Film ist vor kurzem erst abgeknipst worden. Jankowski ist aber nie zusammen mit einer Frau gesehen worden. Es sind also heimliche Aufnahmen, es sind Fotos einer Frau, von der niemand weiß, daß sie sich nackt von Jankowski knipsen läßt. Das ist es, was mich so unruhig macht. Welche Frau bei uns ist so schön? Welche hat einen solch himmlischen Körper? Welche hat dieses verborgene Verhältnis zu Jankowski? Diese Fragen machen mich ganz krank.«
    Kasutin schwieg. Er starrte die Fotos an und verstand die Aufregung Babajews. So vollkommen alle Bilder waren, jedem fehlte eins – der Kopf. Die Schönheit begann am Unterteil des Halses und endete unterhalb der Knie. Von welcher Seite und aus welcher Perspektive diese unanständigen Fotos auch aufgenommen worden waren – der Kopf fehlte. Dieser Superlativ an Schönheit war anonym … aber es war ein Superlativ, der mitten unter ihnen lebte.
    Kasutin räusperte sich, nahm jedes Bild in die Hand, führte es nahe an seine Augen und tastete jeden Millimeter ab.
    »Es ist vergeblich«, ließ sich Babajew vernehmen. »Ich habe schon mit der Lupe alles abgesucht.«
    »Du bist ein Ferkel, Genosse Babajew!«
    »Es geht mir nur um die Aufklärung. Ich will diese Sittenlosigkeit entlarven, will ihr das Wasser abgraben.«
    Kasutin ließ die Bilder fallen. Ihr so genauer Anblick erregte ihn mehr, als er zugeben wollte. Außerdem erinnerte ihn die Brustform zu sehr an Dunja Sergejewna. Bei diesem Gedanken erstarrte er plötzlich innerlich und wurde rötlich im Gesicht. Ein Fetzen Erinnerung explodierte in ihm. Wie sagte Jankowski immer, wenn er draußen im Vorzimmer
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