Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das unanständige Foto

Das unanständige Foto

Titel: Das unanständige Foto
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Gedanken!«
    »Babajew, noch ein Wort, und ich lasse Sie einsperren!« brüllte Kasutin. »Die Grundidee stammte von Ihnen! Sie haben das Gift ausgestreut, an dem wir uns alle den Magen verdarben! Wir sind genauso Opfer wie der arme Jankowski! Wobei es mir rätselhaft bleibt, wieso man sagen kann: ›Das könnte Rimma Ifanowna sein. Dieser feste Busen …‹ Und dabei ist es nur eine Puppe.«
    »Warum starren Sie mich dabei wie ein Bock an?« fuhr Dr. Lallikow hoch. »Ich betone es noch einmal: Diese Polyesterpuppe war so naturgetreu hergestellt, so hervorragend fotografiert im Detail, daß man – rechnet man unsere innere Empörung hinzu – leicht einem Irrtum verfallen konnte. Hinzu kam das Auftauchen der Enthaarungscreme in Nowo Korsaki.«
    »Meine lieben Söhne!« Väterchen Akif hob beide Hände. Die anderen verstummten schweratmig und am Rande nervlicher Zusammenbrüche. »Zerfleischen wir uns nicht selbst. Tätige Reue ist angebracht. Sind wir froh, daß ein sehr strittiges Problem sich in dieser Glätte gelöst hat. Ist das nicht als Erfolg anzusehen? Ist das Ganze kein Beweis für die unversehrte Moral aller Frauen hier, ohne jede Ausnahme? Stolz sollte uns das machen! Wie sauber steht Nowo Korsaki nun wieder da? Wir sollten dankbar sein – nicht uns gegenseitig den Satan an den Hals wünschen. Die allgemeine Unschuld wurde nachgewiesen – das ist ein Hosiannah wert.«
    »So kann man es auch sehen«, sagte Dr. Lallikow beruhigt. »Väterchen Akif, Sie sind ein ungewöhnlicher Mensch. Darf ich Sie für übermorgen zu einem herrlichen Braten einladen?«
    »Vergelte es Ihnen Gott.« Akif Victorowitsch sah den noch immer bebenden Babajew an. »Du hast nur deine vermeintliche Pflicht getan, mein Sohn. Ein stets waches sittliches Bestreben ist lobenswert«, sagte er nun plötzlich zu ihm.
    »Ich verzichte auf eine kirchliche Manöverkritik«, ließ sich Kasutin vernehmen und winkte mit beiden Händen ab. »Ich stelle nur fest, daß wir alle Rindviecher waren – aber das bleibt unter uns. Wir sind ja nicht nur Genossen, sondern auch Freunde. Dafür wissen wir jetzt zuviel voneinander.«
    Er sah Babajew, von dem alles Übel ausgegangen war, an, verzichtete darauf, ihm wenigstens vor die Schuhe zu spucken, und verließ das Popenhaus.
    Auf dem Weg zum Parteihaus begegnete er Jankowski, der ihm aufgeregt zuwinkte.
    »Gut, daß ich Sie treffe, Pjotr Dementijewitsch«, sagte Jankowski atemlos. »Ich bin auf dem Weg zur Miliz. Ich habe eine Anzeige zu machen. Vor einer halben Stunde hat man mich in meinem Bett überfallen.«
    Unter Kasutins Haarwurzeln begann es zu brennen. »Sind Sie sicher?« fragte er heiser. »Haben Sie nichts Falsches geträumt, Genosse?«
    »Kann man träumen, gefesselt zu werden und einen Sack über den Kopf gestülpt zu bekommen?«
    »Man kann ungeheuer plastisch träumen.«
    »Bleiben dann die Stricke und der Sack zurück?«
    »Wohl kaum.« Kasutin seufzte ergeben. »Gehen wir gemeinsam zur Miliz. Diesen gemeinen Überfall werden wir mit aller Strenge untersuchen. Wir werden alles unternehmen. – Was wollte man denn von Ihnen?«
    »Nichts. Das ist es ja, absolut nichts. Ein Rätsel.«
    »So ist es oft«, sagte Kasutin weise und erinnerte sich der Worte des Popen Mamedow. »Wir Menschen haben die nicht erklärbare Gabe, mit Nichtigkeiten Welten durcheinanderzubringen. Überlegen wir es uns doch noch einmal, mein lieber Victor Semjonowitsch, ob wir überhaupt eine Klage einreichen wollen.«
    Das fragte sich Jankowski auch, ließ seinen Entschluß fallen, rätselte aber später noch lange daran herum, warum man ihm meuchlings ans Leder hatte wollen. Er lebte angenehm in Nowo Korsaki, der Pope Mamedow, der Arzt Dr. Lallikow, der Fotograf Babajew, der Parteisekretär Kasutin, der Apotheker Dudorow, der dicke Zwetkow, überhaupt alle Menschen waren freundlich zu ihm, luden ihn zum Essen ein, tranken mit ihm Wein und Wodka, ließen ihn jagen und brachten ihm Körbe mit Geschenken ins Haus. Dennoch fühlte er sich nicht mehr richtig wohl in der Stadt, beendete seine geologischen Forschungen und zog nach Swerdlowsk.
    Man darf das Victor Semjonowitsch nicht übelnehmen, denn – so frage ich – was ist denn das für eine Welt, in der man noch nicht einmal ungestraft eine nackte Schaufensterpuppe fotografieren kann?
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher