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Das unanständige Foto

Das unanständige Foto

Titel: Das unanständige Foto
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den Kopf. »Kein Alkoholgeruch! Verzeihen Sie, Pjotr Dementijewitsch, aber einen Moment dachte ich, Sie seien durch ein Wodkafaß gekrochen. Sie reden ungewöhnlich verworren.«
    »Sie kennen alle Fotos, die Jankowski von Antonina Pawlowna gemacht hat?« fragte Kasutin durchaus nicht beleidigt.
    »Das weiß ich nicht. Die schlechten wird er mir nicht zeigen.«
    »Und die besten?« Kasutin erhob sich, um seinen Aufbruch in die Wege zu leiten. Die Zeitbombe war gelegt, nun tickte ihre Uhr in der Seele des dicken Zwetkow.
    »Die besten kleben in einem Album«, brummte Rassul Alexejewitsch. »Warum sind Sie eigentlich zu mir gekommen, Genosse Kasutin?«
    »Ich wollte Ihnen sagen, daß wir vom Bezirk das Geld für einen Kindergarten bekommen.«
    »Das ist nett, daß Sie mir diese Neuigkeit sofort überbringen«, antwortete Zwetkow mit größter Freundlichkeit. »Meine Pläne liegen schon seit Monaten in Magnitogorssk und sind genehmigt. In einer Woche beginne ich mit den Ausschachtungen. Das Projekt ist voll finanziert.«
    Ein Blitz zerschmettere diesen Dickwanst, dachte Kasutin. Natürlich wußte der Kerl schon wieder vorher alles und hatte bereits seinen Profit in der Tasche, als wir noch ahnungslos waren. Was wären wir ohne Planwirtschaft?
    »Wenn wir Sie nicht hätten, Genosse Zwetkow«, sagte Kasutin säuerlich.
    »Auch die künstlerische Ausgestaltung ist genehmigt.« Zwetkow rieb sich die Hände. »An der Längswand der großen Halle wird ein Riesenfoto von Jankowski aufgezogen …«
    Kasutin stützte sich mit beiden Händen auf die Sessellehne. Seine Backenmuskeln malmten, aber er brachte keinen Laut hervor.
    »Ein wundervolles Foto«, fuhr Zwetkow fort. »Ein Motiv aus der Heimat der Kinder. Eine Allegorie: Hügelland und Niederung …«
    Kasutin nickte schwer. Er verließ Zwetkows Haus, setzte sich in seinem Dienstwagen hinter das Lenkrad und legte den Kopf nach hinten auf die Rückenlehne. So blieb er eine Weile sitzen, wie jemand, dem man im Auto die Kehle durchgeschnitten hatte.
    Wie ist Nowo Korsaki noch zu retten, dachte er. O Himmel, welch völlige Überrollung! Und keiner hätte es gemerkt, wenn uns nicht die unanständigen Fotos vor die Augen geraten wären. Eine spätere Generation wird einmal Babajew und Kasutin als Befreier verehren.
    Es muß etwas getan werden! Der Jankowski-Virus hat ja schon die halbe Stadt verseucht!
    Moses ging zum Berg, um seinem Volk neue Gesetze zu beschaffen. Väterchen Akif fuhr mit einem Moped zu einer steinigen Schlucht im Wald, um dem Geologen Jankowski ins Gewissen zu reden.
    Es ist bibelkundig, daß Moses, als er vom Berg zurückkam, sein Volk um das Goldene Kalb tanzen sah. Der Pope Mamedow erstarrte in heiligem Zorn, als er Jankowski nicht allein in der Schlucht vorfand. Rimma Ifanowna, die rote Schönheit mit dem reduzierten Gehirn, war bei ihm.
    »Es ist so«, sagte Akif mit seiner dröhnenden Stimme, die in der Schlucht sogar widerhallte, »daß ich nicht stören wollte. Ich hatte in Erinnerung, daß Sie allein Ihre Studien treiben, mein Sohn.«
    Er sah sich um und entdeckte, daß Jankowski sich sogar eine Holzhütte gebaut hatte, ein primitives Gebilde allerdings, das aus einem Dach mit Seitenpfählen bestand. Es handelte sich also mehr um einen Schutz gegen plötzliches Unwetter als um eine Unterkunft. Immerhin stand ein Klappbett unter dem Dach, und eine Kiste diente als Tisch. Von einem Bett aber geht immer eine moralische Prüfung aus, wenn es so allein steht und besonders hübschen Mädchen ins Auge fallen muß.
    »Kommen Sie herunter, Väterchen!« rief Jankowski und zeigte auf eine Leiter, die an der Steilwand lehnte. »Wenn Sie aber schwindlig sind, komme ich hinauf zu Ihnen!«
    »Der ständige Umgang mit dem Himmel macht mich schwindelfrei«, erwiderte Akif würdevoll. »Ich komme zu dir, mein Sohn, und wenn du in der Höllenspalte wohnst! Ich muß zu dir – da gibt es keine Hindernisse.«
    Er kletterte die Leiter hinab, strich, unten angekommen, seinen Bart zurecht und blickte tadelnd auf Rimma Ifanowna. Zwar war sie ordentlich gekleidet und hinterließ in keiner Weise den Eindruck von überraschter Verwerflichkeit, aber die Frage blieb offen, was eine Korbflechterin in der steinigen Grube eines Geologen zu suchen hatte. Eine berufliche Interessengemeinschaft war auf jeden Fall zu verneinen.
    »Muß sie dabei sein?« fragte er streng und zeigte auf Rimma wie auf eine neugierige Ziege. »Ist sie bei deiner Arbeit sehr vonnöten? Das zu beurteilen,
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