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Das Treffen in Telgte

Das Treffen in Telgte

Titel: Das Treffen in Telgte
Autoren: Günter Grass
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Städtchen, das zwar arm geworden, aber heil geblieben sei, weil man die Hessen habe abschlagen können und des Königsmarck Regimentskassen zu füttern nicht müde werde. Und da Telgte, wie man wisse, von altersher ein Wallfahrtsort sei, werde er den musisch wallfahrenden Herren dort Quartier machen. Das habe er von Jugend an gelernt: allerlei Göttern Quartier zu machen.
    Als der alte Weckherlin wissen wollte, womit man sich als Evangelischer so viel kaiserliche Gunst verdiene, immerhin trage der Gelnhausen eilige Nachricht der pfäffischen Partei zu, sagte der Regimentssekretär: Ihn kümmere die Religion wenig, wenn man ihm seine lasse. Und so geheim sei die Botschaft für den Trauttmannsdorff auch wieder nicht. Das wisse doch jeder, daß im Lager des Marschall Turenne die Regimenter Weimars gegen die welsche Bevormundung gemeutert und sich zerstreut hätten. Solche Nachricht laufe einem voraus und lohne die Eile nicht. Da leiste er lieber kleinen Dienst für ein Dutzend quartierloser Poeten, zumal er – beim Apoll! – selber die Feder führe, wenn vorerst auch nur in des Obristen Schauenburg Regimentskanzlei.
    Darauf willigte Dach in das Angebot ein. Und Gelnhausen sprach nicht mehr kraus und halbgereimt daher, sondern gab seinen Reitern und Musketieren Befehle.
    2
    Der Weg von Osnabrück über Telgte nach Münster war seit Beginn der nun bald drei Jahre anhaltenden Friedensverhandlungen vielbefahren und von Kurieren beritten, die einen archivfüllenden Wust von Petitionen, Denkschriften, üblich intrigierenden Briefen, Einladungen zu Festlichkeiten und Agentenberichten über die neuesten, unbekümmert vom Friedenshandel laufenden Armeebewegungen hin und her, vom protestantischen ins katholische Lager oder in umgekehrte Richtung trugen, wobei die Standorte der Konfessionen nicht ganz den militärischen Freund-Feind-Positionen entsprachen: das katholische Frankreich hatte sich, bei päpstlichem Wohlwollen, mit Spanien, Habsburg und Bayern angelegt, die protestantischen Sachsen standen mal mit dem einen, dann mit dem anderen Fuß im kaiserlichen Lager. Vor wenigen Jahren waren die lutherischen Schweden über die lutherischen Dänen hergefallen. Heimlich betrieb Bayern seinen Landschacher um die Pfalz. Hinzu kamen meuternde oder das Lager wechselnde Truppenteile, die Widersprüche der Niederlande, das Lamento der schlesischen Stände, die Ohnmacht der Reichsstädte, das zwar wechselnde, aber gleichbleibend landhungrige Interesse der Verbündeten, weshalb sich vor einem Jahr, als die Abtretung des Elsaß an Frankreich und Pommerns mit Stettin an Schweden verhandelt wurde, besonders die Vertreter Straßburgs und der Ostseestädte zwischen Münster und Osnabrück (so verzweifelt wie vergeblich) die Hacken abgelaufen hatten. Kein Wunder, wenn der Weg von und nach den Friedensstädten in einem Zustand war, der dem Verlauf der Verhandlungen und dem Befinden des Reiches entsprach.
    Jedenfalls brauchten die vier Gespanne, so rasch sie Gelnhausen mehr requiriert denn geliehen hatte, länger als vorbedacht, um die quartierlosen Herren – über zwanzig an der Zahl – von den Ausläufern des Teutoburger Waldes herab durch das Tecklenburgische Land nach Telgte zu bringen. (Das Angebot eines Küsters, ihnen ein leerstehendes Nonnenkloster nah bei Oesede, in dem der Schwed gehaust hatte, notdürftig einzurichten, wurde abgelehnt, weil dem halbwüsten Gemäuer der geringste Komfort fehlte; nur Logau und Czepko, die dem Gelnhausen mißtrauten, sprachen für das Notlager.)
    Hinter ihnen verfärbte sich schon die Sommernacht, als Simon Dach für den Konvoi den Brückenzoll berappte. Und gleich hinter der Brücke über die äußere Ems, doch vor dem inneren, die Stadt zum Emstor hin begrenzenden Flußarm, im Brückenhof, einem reetgedeckten Steinhaus, das hochgegiebelt inmitten Uferwildnis stand und auf ersten Blick wenig Kriegsschäden zeigte, machte Gelnhausen auf seine Weise Quartier. Er nahm die Wirtin, die er offenbar kannte, beiseite, tuschelte mit ihr, um sie dann Dach, Rist und Harsdörffer als seine langjährige Freundin Libuschka vorzustellen: eine unter ihrer Grindsalbe schon angejahrte Frau, die sich in eine Pferdedecke gewickelt hatte, soldatische Hosen trug, dabei geziert sprach und sich zum böhmischen Adel zählte: Ihr Vater habe mit Bethlen Gabor von Anfang an für die protestantische Sache gekämpft. Sie wisse, welche Ehre ihr ins Haus stehe. Wenn nicht gleich, so doch bald werde sie den Herren Quartier
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