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Das Trauma

Das Trauma

Titel: Das Trauma
Autoren: Camilla Grebe
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schlichte, aber zuverlässige Holzkonstruktion trocken hält.
    Markus wohnt nicht bei mir. Ich will es nicht, bin noch nicht so weit. Vielleicht ist mir mein eigener Freiraum zu wichtig, vielleicht glaube ich nicht, dass wir alle Kompromisse schließen könnten, die ein echtes gemeinsames Leben verlangen würde.
    Wen versuche ich, an der Nase herumzuführen?
    Die Wahrheit – die so wehtut, dass ich sie nur selten hervorhole, um sie bei Licht zu besehen – ist, dass ich nicht fähig bin, ihn richtig zu lieben. Mich darum zu bitten, ihn zu lieben, ist, wie einen Mann ohne Arme zu bitten, die Schnürsenkel zu binden: Es spielt keine Rolle, wie gern ich es täte. Ich kann es nicht.
    Ich spüre, dass es in meiner Seele keinen Platz für ihn gibt.
    Noch nicht.
    Stefan.
    Noch immer ist er da. An meiner Seite, tags und nachts. Wenn ich arbeite, schlafe. Wenn ich mit Markus schlafe.
    Gehe ich fremd?
    Die meisten würden diesen Gedanken albern finden. Einen Toten kann man doch nicht betrügen. Und die Götter mögen wissen, dass Stefan mich lieber glücklich sehen würde. Dass er mir das Fremdgehen gönnen würde.
    Nein.
    Es geht um meine eigene Bindungsunfähigkeit.
    So. Das Einzige, was an den Tagen, an denen ich allein hier bin, Markus’ Anwesenheit verrät, sind einige zusätzliche Zahnbürsten im Badezimmer, eine Schublade mit Unterhosen und T-Shirts in Größe XL in meinem Arbeitszimmer und ein verdreckter Laptop, den er bei der Arbeit zu brauchen behauptet. Aber in Wirklichkeit habe ich immer nur gesehen, dass er darauf Computerspiele betreibt und surft.
    Obwohl wir uns seit fast einem Jahr kennen, habe ich mich immer noch nicht damit abfinden können, dass wir so verschieden sind. Wenn mich früher, vor langer Zeit, jemand gefragt hätte, was ich bei einem Mann suche – dem Idealmann –, dann hätte ich lange über dieses Thema reden können. Er müsste intellektuell sein, Bücher lesen, sich für gesellschaftliche Probleme interessieren.
    Aber jetzt kann ich kühl anmerken, dass ich einen Mann gefunden habe, der so weit von meinen romantischen Vorstellungen entfernt ist, wie es überhaupt nur sein kann: Polizist, sportlich, keinerlei gemeinsame Interessen. Liest keine Bücher, sitzt am liebsten vor dem Rechner, wenn er nicht trainiert. Ich glaube, er wählt die Konservativen, obwohl er aus der roten Provinz Norrland stammt, aber wissen tue ich es eigentlich nicht. Wir sprechen nie über solche Dinge. Wir reden überhaupt nicht sehr viel. Wir sind einfach nur … da. Wir teilen dieses Haus und diese Felsen am Meer. Wir teilen das Leben, das langsam vorüberzieht in diesem langen und dunklen Herbst. Wir teilen unsere Körper mit einer Intensität, die manchmal erschreckend ist und die einen scharfen Kontrast zu den maßvollen, sachlichen Gesprächen und praktischen Beschäftigungen des Alltags bildet.
    Manchmal denke ich, dass er in meinem Leben vielleicht dieselbe Rolle spielt wie ein Haustier – es ist schön, die Anwesenheit eines anderen zu spüren. Klingt das gemein? Aber das Gegenteil ist auch beängstigend; vom Leben zu verlangen, dass ein Mann – irgendein Mann – einem romantischen Idealbild entspricht, dass er alle meine Interessen teilt. Von intellektueller Brillanz ist. Mich in jeder Sekunde begehrt. Das wäre unheimlich. Es wäre vermessen, an das Leben solche Forderungen zu stellen.
    Oder an einen anderen Menschen.
    Außerdem ist er viel zu jung für mich. Zehn Jahre zu jung, genauer gesagt. Ich habe mich schon längst dazu entschlossen, diese Tatsache einfach zu ignorieren. Mir einzureden, dass Alter relativ ist. Und wenn ich ehrlich bin, genieße ich es auch: diese Vorstellung, dass er – der so jung ist – mich wirklich will.
    Es ist früher Morgen, und die Bucht liegt noch im Dunkeln. Markus und ich drängen uns in dem winzigen Badezimmer im Nebengebäude. Er zieht sich den Rasierer über die Wangen und schaut mich im Spiegel an. Langsam und vielleicht ein wenig provozierend schmiere ich meinen nackten, frischgeduschten Leib mit Öl ein. Betrachte ihn heimlich, während er sich über das Waschbecken beugt.
    »Wieso eigentlich so viele Bowiebilder? Ist es nicht ein bisschen pubertär, Starporträts an die Wände zu kleben?«, fragt Markus und zeigt auf die Collage, die die eine Badezimmerwand bedeckt.
    Ich kichere und ziehe meine Unterhose an.
    »Ich bin verliebt in ihn, das war immer schon so.«
    »Ist er nicht ein bisschen zu alt für dich?«, fragt Markus und grinst, während er kleine
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