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Das Trauma

Das Trauma

Titel: Das Trauma
Autoren: Camilla Grebe
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Haut berühren darf. Die Hände über die kleinen hellrosa Brustwarzen legen. Ihre Leisten küssen und den Wald aus hellbraunen Haaren, der ihr Geschlecht bedeckt. Die kleinen erstickten Geräusche hören, die sie ausstößt, wenn er sich immer heftiger in ihr bewegt. Diese Geräusche, die ihn auf verwirrende Weise an verletzte Tiere und Pornofilme zugleich erinnern, die ihn nur erregt und unruhig machen: Macht er etwas falsch? Tut es ihr weh?
    Aber sie lacht nur, sagt, es sei perfekt, sei schön. So schön, dass sie das Gefühl habe, zu zerreißen. Sie erklärt ihm, dass es eine Art Schmerz und doch kein Schmerz ist. Und er versteht, was sie meint, denn wenn er in ihr explodiert, dann, wenn er in ihren Armen stirbt, geht es ihm genauso. Dann scheinen aller Schmerz und aller Genuss und alle Gefühle in einer riesigen beängstigenden, aber zugleich erlösenden Flutwelle über ihm zusammenzuschlagen.
    Keine ist schöner als sie.
    Schon bei ihrer ersten Begegnung hat er das gedacht, und dieser Gedanke war erregend, verboten und zugleich ermüdend alltäglich. Er war ein Teil der Wirklichkeit, an die er sich gewöhnt hatte, es gab gewisse Dinge im Leben, die einfach nicht für ihn da waren, für solche wie ihn. Türen, die er niemals öffnen könnte. Orte, die er niemals sehen würde. Gefühle, von denen er nicht erwarten könnte, dass er sie jemals erleben würde.
    Liebe, zum Beispiel.
    Sie war ihm gleich an seinem ersten Tag im Jobcenter aufgefallen. Dass ihre langen braunen Haare aufloderten, wenn die Sonne darauf schien, dass ihre Augen vom bleichsten Grau zum dunkelsten Gewitterwolkenviolett wechseln konnten.
    Und wenn sie lachte, wollte er mit ihr lachen, dieses frohe Gefühl teilen, das sie zu erfüllen schien. Aber natürlich, sie lachte ihn ja niemals an. Warum hätte sie das auch tun sollen? Warum sollte irgendwer ihn anlachen?
    Dann. Sie hatten über seine Zukunft gesprochen. Und sie hatte vor ihm im Drehsessel gesessen, als wäre es das Natürlichste auf der Welt, hatte an ihrem gelben Bleistift genagt und gesagt: »Aber wird es nicht langsam Zeit, dass du dich zusammenreißt? Du hattest doch schon zwei Probejobs. Es hätte dir gelingen müssen, in einem dieser Betriebe fest angestellt zu werden, du bist schließlich ein kluger Junge.«
    Und er hatte sich so geschämt, dass seine Wangen heiß wurden, und er hatte sich unter seinen langen dunklen Haaren versteckt. Hatte sie gehasst, wie sie da in ihrem Drehsessel saß, den Stift wie einen Hammer im Mund, und ihn einen klugen Jungen nannte. Hatte diesen Scheißsupermarkt gehasst, wo er tagaus, tagein altes Obst und Gemüse aus den Regalen genommen hatte. Verschimmelte Apfelsinen und faule Pflaumen, während die Bananenfliegen um ihn herumschwirrten. Hatte diese sinnlose Schweißerausbildung gehasst, die auch zu keinem Job geführt hatte. Und er hatte die Postsortierung in Solna und alle Idioten gehasst, die dort arbeiteten, die vielen stotternden, hinkenden, behinderten Trottel.
    Alle, die waren wie er.
    Und vor allem hatte er sich gehasst, weil er nicht wie andere sein konnte, »sich wie anständige Leute benehmen«, wie seine Mama gerufen hatte, ehe sie und sein Vater einfach gestorben waren.
    Sie legt die Hand auf seinen Bauch, und er kann sehen, wie die sich im Takt seines Atems hebt und senkt.
    »Du«, sagt sie. »Liebst du mich?«
    »Klar liebe ich dich«, murmelt er.
    Verlegen, aber doch glücklich. Bis zum Bersten gefüllt von dieser Erwachsenenliebe, die so anders schmeckt als alles, was er jemals erlebt hat.
    »Würdest du alles für mich tun?«
    Er dreht sich zu ihr um, und ihre Hand rutscht auf die schmuddelige Decke. Die letzten Sonnenstrahlen fallen durch das Fenster, zünden das Feuer in ihren Haaren an. Vorsichtig legt er die Münze auf den Zeitungsstapel neben dem Bett und legt die Hand auf ihre Brust.
    »Natürlich.«
    »Auch wenn es schlimm wäre, richtig schlimm?«
    Jetzt liegt etwas Düsteres in ihrem Blick. Als ob sie Schmerzen hätte. Und er weiß plötzlich, dass er alles tun würde, um sie glücklich zu sehen, um diesen Ausdruck des Schmerzes aus ihrem Gesicht zu tilgen, die Furchen in der Stirn zu glätten, das Lächeln wieder hervorzulocken.
    »Ich tue alles für dich«, sagt er. »Einfach alles.«

Danke!
    Wir möchten allen danken, die uns bei der Arbeit an diesem Buch geholfen haben. Vor allem unserer wunderbaren Verlegerin Helene, die überaus kundige Informationen über das Dasein als Schwangere liefern konnte, Katarina, unserer
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