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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff
Autoren: B. Traven
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scheinheilig, wieviel Geld man habe.
    »Wenn Sie nichts gefunden haben, dann habe ich kein Geld«, sage ich.
    »Das ist gut. Das ist jetzt alles. Nehmen Sie ihn wieder in die Zelle.«
    Der Hohepriester hatte seine Zeremonien beendet.

4.
     
    Am späten Nachmittag wurde ich zum Bahnhof gebracht. Zwei Mann, darunter der Dolmetscher, begleiteten mich. Offenbar dachten sie, ich sei noch nie in meinem Leben mit der Bahn gefahren, denn ich durfte nichts allein tun. Einer löste die Fahrkarten, während der andre dicht bei mir stehenblieb und aufpaßte, damit nicht etwa ein Taschendieb sich die vergebliche Arbeit machen sollte, noch einmal meine Taschen durchzusuchen, denn wo einmal die Polizei Taschen durchsucht hat, findet auch der geschickteste Taschendieb keinen Cooper mehr.
    Der Mann, der die Karten gelöst hatte, gab mir aber meine Karte nicht. Wahrscheinlich dachte er, ich würde sie sofort wieder verkaufen. Sie begleiteten mich dann sehr höflich auf den Bahnsteig und brachten mich zu meinem Abteil. Ich glaubte, sie würden sich hier von mir verabschieden. Aber das taten sie nicht. Sie setzten sich zu mir in das Abteil, und um mich vor dem Hinausfallen zu bewahren, nahmen sie mich in ihre Mitte. Ob belgische Polizeibeamte immer so höflich mit Leuten sind, weiß ich nicht. Ich jedenfalls konnte mich über sie nicht beklagen. Sie gaben mir dann Zigaretten. Wir rauchten, und der Zug dampfte los. Nach einer kurzen Fahrt verließen wir den Zug und kamen in ein kleines Städtchen. Wieder wurde ich zu einer Polizeistation gebracht. Ich hatte mich auf eine Bank zu setzen in jenem Raum, wo sich alle die Polizeibeamten aufhielten, die in Reserve waren. Die beiden Leute, mit denen ich gekommen war, erzählten eine große Geschichte über mich. Die übrigen Cops, ich meine die übrigen Polizeibeamten, glotzten mich alle der Reihe nach an, manche interessiert, als ob sie noch nie einen solchen Mann gesehen hätten, und andre wieder, als hätte ich irgendwo einen Doppelraubselbstmord verübt.
    Gerade diejenigen, die mich in so verhängnisvoller Weise anstarrten, die mich der Verübung der gräßlichsten Verbrechen, deren Täter man noch nicht erwischt hatte, fähig hielten und die mir noch viel schwerere Verbrechen in Zukunft zutrauten als ich, ihrer untrüglichen Meinung zufolge, schon verübt habe, flößten mir plötzlich den Gedanken ein, daß ich hier auf den Henker zu warten habe, der augenscheinlich nicht zu Hause war und erst gesucht werden mußte.
    Da war nichts zu lachen, no, Sir. Es war eine sehr ernste Sache. Man braucht nur ein wenig darüber nachzudenken. Ich hatte keine Seemannskarte, ich hatte keinen Paß, ich hatte keinen Identitätsausweis, ich hatte kein sonstiges Papier, und meine Photographie hatte der Hohepriester in seinem dicken Buche auch nicht gefunden. Wenn da wenigstens noch meine Photographie gewesen wäre, dann hätte er doch gleich gewußt, wer ich bin. Von der Tuscaloosa achtern abgeblieben zu sein, das konnte jeder erzählen, der sich da herumtrieb. Eine Wohnung hatte ich nirgendwo auf der Welt. Entweder ein Eimer oder eine Seemannsherberge. Mitglied irgendeiner Handelskammer war ich auch nicht. Ich war eben ein Niemand. Na, nun frage ich, warum sollten die armen Belgier einen Niemand durchfüttern, wo sie doch schon so viele Niemandskinder durchzufüttern haben, die wenigstens immer noch zur Hälfte hierher gehören. Ich aber gehörte mit keiner Hälfte hierhin. Ich war nur eine weitere Ursache, daß sie in Amerika wieder Geld pumpen mußten. Mich zu hängen, war der kürzeste und einfachste Weg, um mich loszuwerden. Ich konnte es ihnen nicht einmal verdenken. Kein Mensch kümmerte sich um mich, kein Mensch würde nach mir fragen, meinen Namen brauchten sie gar nicht einmal in ihre dicken Bücher zu schreiben. Und hängen würden sie mich, ganz sicher. Sie warteten nur noch auf den Henker, der das Geschäft versteht, sonst wäre es ja ungesetzlich und ein Mord.
    Wie recht ich hatte. Da war der Beweis. Einer der Cops kam auf mich zu und gab mir zwei dicke Pakete mit Zigaretten, die letzte Gabe an den armen Sünder. Dann gab er mir auch noch Zündhölzer, setzte sich zu mir und radebrechte mit mir, lachte und war freundlich, klopfte mir auf die Schulter und sagte: »Ist nicht so schlimm, Junge, nehmen Sie es nicht zu tragisch. Rauchen Sie, damit Ihnen die Zeit nicht lang wird. Wir müssen warten, bis es finster ist, sonst können wir es nicht gut machen.«
    Nicht tragisch nehmen, wenn man
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