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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff
Autoren: B. Traven
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Der Heizer liegt im Kessel. Wo ist das Wasser? Habt ihr denn keinen Kaffee mehr für mich gelassen? Ich muß ’rüber, ’rüber, ’rüber.«
    Er zerrte nun an dem Bindfaden, um ihn zu lösen. Er konnte aber die Knoten nicht öffnen. Er drehte wie unsinnig an den Knoten und verknotete sie immer mehr.
    »Wo ist die Schaufel?« rief er. »Ich muß das Tau kappen.« Aber der Bindfaden hielt nicht lange. Stanislaw zerrte, riß und scheuerte mit solcher Kraft an den dreifach gedrehten Verschnürungen, daß er sich immer weiter daraus hervorwinden konnte. Die letzten Stringe riß er durch.
    »Die ›Yorikke‹ fährt weg. Schnell, Pippip. Der Norweger hat Eiswasser. Er winkt mit der Kanne. Ich bleibe nicht auf dem Totenschiff.«
    Immer wilder brüllte Stanislaw.
    Er hing nur noch am Fuß fest, und jetzt zerrte er auch dort die Stringe los.
    Ich sah das alles in meilenweiter Ferne, wie auf einem Bilde oder durch ein Fernrohr.
    »Da ist die ›Yorikke‹. Der Skipper tippt an die Mütze.« Stanislaw rief es und sah mich an mit starren Augen. »Komm ’rüber, Pippip. Tee und Rosinenstollen mit Kakao und Wasser.«
    Ja, da lag die »Yorikke«. Ich sah sie deutlich liegen. Erkannte sie an ihrem bunten närrischen Kleide und an ihrer Brücke, die immer in der Luft hängenblieb und von irgendeinem Schiff zurückgelassen worden war, das sie nichts anging.
    Da war die »Yorikke«, und jetzt hatten sie Frühstück oder Abendessen oder Pflaumen in blauem Stärkeschleim. Der Tee war nicht schlecht. Das war Lüge und Verleumdung. Der Tee war gut auch ohne Zucker und Milch. Und das Trinkwasser stank nicht.
    Ich begann, an meinem Tau zu knoten. Aber ich bekam den Knoten nicht auf. Dann rief ich Stanislaw, er möge mir helfen, den Knoten aufzuziehen. Aber er hatte keine Zeit. Er wurde mit seinem Fuße nicht fertig und arbeitete wie toll, um den Fuß loszukriegen. Nun gehen auch noch die Wunden auf, die man ihm auf dem Kopf geschlagen hatte.
    Das Blut sickert über sein Gesicht, aber er läßt sich nicht stören.
    Und ich zerrte und zerrte an meinen Banden. Aber das Tau war zu dick. Ich konnte es nicht durchscheuern und konnte meine Glieder nicht herauswinden. Ich verstrickte mich immer mehr. Dann suchte ich nach der Axt, nach dem Messer und endlich nach der Schaufel, die wir glatt geklopft hatten, um einen hölzernen Mast daraus zu machen, aber der Kompaß fiel immer wieder ins Wasser, und ich mußte ihn mit dem durchgebrannten Rost fischen. Das Tau gab nicht nach. Der Knoten zog sich immer fester. Das versetzte mich in namenlose Wut.
    Stanislaw hatte seinen Fuß jetzt los.
    Er drehte sich halb um nach mir und rief: »Komm ’rüber, Pipplaw. Sind nur zwanzig Schritt zu laufen. Die Roste sind alle ’raus, und es ist Wasserminute vor fünf. Aufstehen. Rasch auf. ’raus.
    Asche hieven.«
    Aber die Aschenhieve kreischte: »Da ist keine ›Yorikke‹!« Und ich schrie, so laut ich konnte: »Da ist keine ›Yorikke‹!. Da ist keine ›Yorikke‹! Da ist keine ›Yorikke‹!«
    Ich klammerte mich an das Tau in furchtbarer Angst; denn die »Yorikke« war fort, und ich sah nur Meer, Meer, sah nichts als die gleichmäßigen Wogen der See.
    »Stasinkowslow, spring nicht!« Ich schrie es in namenloser Angst; denn ich konnte seinen Namen nicht finden, der mir aus der Hand gerutscht war. »Stanislaw, nicht springen! Nicht springen! Nicht. Bleib hier!«
    »Die holt den Anker ein. Ich gehe nicht auf ein Totenschiff. Ich renne ’rüber zur ›Yorikke‹. Renne, ich renne, renne, ’rüber. Komm!«
    Und er sprang. Er sprang. Da war kein Hafen. Da war kein Schiff. Da war kein Ufer. Alles See. Alles Wogen.
    Er tat nur ein paar patschende Schläge. Dann sank er für immer weg. Ich starrte ’rüber zu dem Loch, in das er gefallen war. Ich sah es in unendlich weiter Ferne. Und ich rief: »Stanislaw! Lawski! Bruder! Lieber, lieber Kamerad, komm hierher! Hoiho! Hoiho! Hierher! Hierher!«
    Er hörte nicht. Er kam nicht mehr hoch. Er tauchte nicht mehr auf. Da war kein Totenschiff. Da war kein Hafen. Da war keine »Yorikke«. Er tauchte nicht mehr auf, no, Sir.
    Und das war merkwürdig. Er tauchte nicht mehr auf, und ich konnte es nicht fassen, wie das zuging.
    Er hatte angemustert für große Fahrt, für ganz große Fahrt. Aber wie konnte er nur mustern? Er hatte doch kein Seefahrtsbuch. Sie würden ihn gleich wieder ’runterfeuern.
    Aber er kam nicht hoch. Der große Kapitän hatte ihn gemustert. Und treu hatte er ihn gemustert, auch ohne
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