Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff
Autoren: B. Traven
Vom Netzwerk:
noch erzählen kann, daß man sich heute nicht mehr auf Maste verlassen darf. Und das muß gesagt werden, denn das ist wichtig.«
    »Bürsten und Bimsstein, da sind wir ja noch mal glatt davongekommen«, rief er nun.
    »Kreuzverhagelt noch mal«, schrie ich ihn an. »Halt dein gotteslästerliches Maul, verflucht noch mal. Schreist ja das ganze Gesindel heran. Wenn du im Trocknen sitzt, dann freu dich im stillen, aber schrei es nicht ’raus so unverschämt. Ich gebe mir die größte Mühe, das in unauffälliger und höchst eleganter Form zu sagen und vornehm zu umschreiben, was ich meine, und du Prolet brüllst das glatt hinaus.«
    »Rede nicht so große Töne. Jetzt ist doch alles egal, ist doch alles im –.« Mit diesem Stanislaw ist nichts zu erreichen, die Redewendungen, die er zuweilen braucht, werden mich noch veranlassen, seine Gesellschaft zu meiden.
    »Alles egal?« wiederholte ich. »Ich denke ja gar nicht dran. Alles egal ist blöd. Es ist nie etwas egal. Jetzt geht das Vergnügen ja erst richtig los. Bisher haben wir uns nur um Papiere herumgeschlagen, dann mit dem Rattenfraß, dann wieder mit den verfluchten Rosten. Jetzt geht es endlich um den letzten Atemzug, mit dem wir uns herumzuschlagen haben. Alles übrige, was ein Mensch haben kann, ist weg. Alles, was wir noch haben, ist der Atem. Und so schnell und willig lass’ ich mir den nicht auch noch wegnehmen.«
    »Ein Vergnügen denke ich mir aber anders«, sagte Stanislaw.
    »Sei nicht undankbar, Lawski. Ich sage dir, es ist ein höllisches Vergnügen, sich mit den Fischen um den Bissen zu prügeln, wenn man der Bissen sein soll.«
    Stanislaw hatte natürlich durchaus recht. Es war kein Vergnügen. Man mußte sich ankrallen an den Handgriffen wie toll, um nicht ’runtergeschwemmt zu werden. Die Brecher fühlte man nicht so hart auf der schwimmenden Wand hier wie auf dem Schiff, weil die Brecher die Wand mit hoch nahmen und nicht in voller Wucht darüber hinwegbrandeten. Aber getaucht wurden wir doch oft genug, damit wir auch nicht vergessen sollten, wo wir waren.
    »Ich denke, wir müssen nun etwas tun«, sagte ich. »Meine Arme sind so zerknüppelt, ich kann nicht mehr lange halten.«
    »Wollen wir festlegen«, sagte Stanislaw. »Ich gebe dir hier mein Tauende, und ich nehme deinen Bindfaden. Ich kann schon besser halten. Der Bindfaden ist ja lang genug, daß man ihn dreifach nehmen kann.«
    Stanislaw half nun, mich mit dem Tau festzuholen; ich konnte es mit meinen lahmen Armen nicht gut allein tun. Dann band er sich ebenfalls fest, und wir warteten nun auf die Geschehnisse.
    Keine Nacht ist so lang, daß sie nicht endlich doch vorübergeht und dem Tage weichen muß.
    Mit dem neuen Tage ließ das schwere Wetter nach, aber der hohe Seegang blieb.
    »Siehst du was von Land?« fragte Stanislaw.
    »Nein. Ich wußte es ja, so leicht werde ich kein Entdecker neuer Erdteile. Wenn nichts vor der Nase liegt, sehe ich keins.«
    Plötzlich sagte Stanislaw: »Mensch, ich habe ja den Kompaß. War gut, daß du ihn fandest.«
    »Ja, ein Kompaß ist eine feine Sache, Lawski. Können wir immer sehen, in welcher Richtung die afrikanische Küste liegt. Aber ein Segel wäre mir lieber als zehn Kompasse.«
    »Kannst nichts mit einem Segel machen auf dem Brett.«
    »Warum nicht? Wenn Seebrise auf Land geht, gehen wir mit.«
    »Wir werden wohl woandershin mitgehen, Pippip.«
    Am Nachmittag wurde es wieder diesig, und ein leichter Nebel legte sich über die See. Er wirkte beruhigend auf das Toben des Meeres.
    Die unermeßliche Weite der See wurde immer kleiner. Bald hatten wir die Täuschung, daß wir nur auf einem Binnensee seien. Dann wurde auch der See kleiner und kleiner, und endlich glaubten wir, auf einem Flusse dahinzugleiten. Es schien, als ob wir die Ufer mit den Händen ergreifen könnten, und ehe wir einschliefen, sagte bald Stanislaw, bald ich: »Da ist das Ufer, laß uns ’runtergehen und das kleine Stückchen ’rüberschwimmen. Kannst es ganz deutlich sehen, es sind noch keine hundert Schritt.«
    Aber wir waren zu müde, um uns loszubinden und diese hundert Schritte zu schwimmen.
    Wir sprachen dann kaum noch und schliefen ein. Als ich erwachte, war es Nacht.
    Der dunstige Nebel lag noch immer auf dem Meer. Aber hoch in den Lüften sah ich Sterne funkeln. Zu beiden Seiten sah ich die Ufer des Flusses, auf dem wir hinglitten. Zuweilen wurde an einem der Ufer der Nebel dünner, und ich sah die Tausende funkelnden Lichter des nahen Hafens. Es war ein großer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher