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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff
Autoren: B. Traven
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worden war, glaubte ich nicht; auch Stanislaw bezweifelte es. Wir hatten kein Schiff passieren sehen. Außerdem lagen wir nicht in der Route. Der Skipper war herausgegangen, um nicht abermals von Patrouillen oder Passanten gesehen zu werden. Der Spaß war für ihn teuer geworden. Er hatte an eine ruhige friedliche Abwicklung des Geschäfts gedacht. Daß er vom Quartier keinen Mann mitbekommen würde, damit hatte er nicht gerechnet. Wären die beiden Boote richtig bemannt gewesen, hätte das ein Vergnügen sein müssen, klar abzukommen.
     

47.
     
    Als es völlig hell geworden war, versuchten wir, den Korridorschacht hinabzuklettern. Mit einiger Sorgfalt ging es auch. Wir benutzten die Türen zu den einzelnen Kabinen und die Wandrippen als Sprossen, und so ging es viel rascher und schneller, als wir gedacht hatten.
    Auf dem Boden des Schachtes befanden sich die beiden Kabinen des Skippers. Ich fand einen Taschen-Schiffskompaß, den ich gleich mit Beschlag belegte, aber Stanislaw anvertraute, weil ich keine Tasche hatte, wo ich ihn aufbewahren konnte. Es waren auch zwei kleine Wassertanks in der Kabine, einer diente für Waschwasser und einer für Trinkwasser. Um Wasser waren wir nun für einige Tage nicht verlegen, denn ob die Pumpen in der Galley würden Wasser ziehen können, mußten wir erst noch ausprobieren. Vielleicht war der Frischwassertank überhaupt schon ausgelaufen.
    Auf der »Yorikke« hatten wir ja jedes Plätzchen gewußt, wo was zu holen war. Hier mußten wir erst damit beginnen, alles zu suchen. Aber Stanislaw hatte eine gute Nase und hatte die Vorratskammer, die Pantry, im Augenblick entdeckt, sobald nur die Frage nach dem Frühstück auftauchte. Verhungern konnten wir zwei Mann innerhalb der nächsten sechs Monate nicht. Und wenn wir genügend Wasser noch hatten, ließ es sich für eine Weile aushalten. In der Pantry waren mehrere Kasten mit Mineralwasser, Bier und Wein. Ganz schlimm konnte es nicht werden. Der Kochherd wurde auch wieder aufgerichtet, und so konnten wir auch kochen. Wir probierten die Pumpen für Frischwasser aus. Die eine zog nicht an, dagegen um so besser die andre. Das Wasser war noch etwas trüb von dem aufgerüttelten Schlamm, der sich am Boden festgesetzt hatte, aber das würde sich nach einem Tage schon geben.
    Mir wurde übel zumute, und auch Stanislaw zeigte Unbehagen.
    »Mensch«, sagte er mit einemmal, »was sagst du dazu, ich werde seekotzig. Verflucht noch mal, das ist mir denn doch noch nicht passiert.«
    Ich konnte mir das nicht erklären, denn mir wurde immer kläglicher zumute, während der Eimer doch ziemlich still stand. Das Herantoben der Brecher und das gelegentliche Erzittern des Eisenkolosses konnte ein so erbärmliches Gefühl doch nicht auslösen.
    »Nun kann ich dir sagen, was los ist, Stanislaw«, gab ich nach einer Weile zur Antwort. »Die verrückte Lage der Kabinen ist es, was uns kotzig macht. Alles steht schräg und steil. Da muß man sich erst daran gewöhnen.«
    »Ich glaube, du hast recht«, meinte er, und sobald wir draußen waren im Freien, war das üble Empfinden sofort weg, obgleich einem auch die ganze Lage des Schiffes, die so blödsinnig toll zum Horizont stand, auf das Gleichgewichtsempfinden schlug.
    »Siehst«, sagte ich jetzt zu ihm, als wir draußen saßen und des Skippers gute Zigarren rauchten, »es ist nur die Einbildung, nichts weiter. Ich bin sicher, wenn wir einmal heraus haben, was in unserm Leben alles Einbildung und was Tatsache ist, werden wir noch recht sonderbare Dinge lernen und die ganze Welt von einem andern Gesichtswinkel aus betrachten. Wer weiß, welche Folgen das haben kann.«
    So sehr wir auch Ausschau hielten, ein Schiff war nicht zu sehen. Nicht einmal eine Rauchfahne konnten wir erblicken. Wir lagen zu weit außerhalb der üblichen Fahrstraßen.
    »Wir können hier das schönste Leben führen, das wir je geträumt haben«, philosophierte Stanislaw, »haben alles, was wir uns nur wünschen, können essen und trinken, was wir wollen und soviel wir wollen, kein Mensch stört uns, und arbeiten brauchen wir auch nicht. Trotzdem möchten wir fort, je rascher, je lieber, und wenn kein Eimer uns abholen kommt, müssen wir doch bald sehen, ’runterzukommen und versuchen, die Küste zu machen. Immer jeden Tag dasselbe, das ist es, was man nicht ertragen kann. Ich denke mir manchmal, auch wenn es wirklich ein Paradies geben würde, was ich ja nicht glaube, weil ich mir nicht vorstellen kann, wo die Reichen hingehen, ich
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