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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff
Autoren: B. Traven
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»Empreß« ragte mit dem Stern hoch in die Luft. Das war beim Bootsexerzieren nicht ausprobiert worden. Es stand alles ganz anders, als man es gewöhnt war. Eine Weile hatte noch das Licht gebrannt. Der Ingenieur hatte es zu den Akkumulatoren durchgeschaltet. Jetzt verglimmte es langsam, weil die Akkumulatoren wahrscheinlich auszulaufen begannen oder die Kabel irgendwo Widerstände aufnahmen. Elektrische Taschenlampen und Notlaternen mußten helfen.
    Vom Quartier sah ich niemand. Die waren schon fertig. Die konnten nicht mehr ’raus. Gegen die Tür lehnten einige Tonnen Wasserdruck.
    Boot zwei riß sich los und war im Augenblick vom Seegang fortgeschwemmt, ohne daß auch nur ein Mann drin saß.
    Boot vier war nicht zu holen. Lag nicht klar.
    Boot eins war klar, und der Skipper kommandierte die Besatzung. Dann stand es bei und wartete auf ihn, weil er anstandshalber auf Deck blieb. Das Seegericht sieht so etwas gern und lobt es.
    Nun kam auch Boot drei klar. Hier flitzten Stanislaw und ich hinein, zwei Ingenieure, der gesunde Negerschlepp und Daniel mit dem abgehackten Fuß, der jetzt mit einem Hemd verbunden war; ferner kriegten wir den Ersten Offizier und den Steward.
    Die Kessel schienen brav zu halten und waren vielleicht durch die herausgefallenen Feuer beruhigt worden. Pflaumenmus gab es ja hier nicht.
    Wir stießen ab. Der Skipper war inzwischen in Boot eins gesprungen, und auch dieses Boot lief klar ab.
    Aber ehe es seine Riemen gestreckt hatte, wurde es von der See heftig gegen den Schiffsleib geschleudert. Immer wieder versuchten sie, klar zu kommen.
    Da plötzlich löste sich ein Etwas von dem Schiffe los und schlug mit brechendem und splitterndem Getöse auf das Boot. Man hörte ein Schreien von vielen Stimmen, und dann war alles still, als wären Schrei, Boot und Besatzung mit einem Ruck von einem großen Maul verschluckt worden.
    Wir waren ganz schön abgekommen und pullten lustig drauf los. Kurs zur Küste.
    Große Fahrt machten wir nicht mit den paar Riemen. Die Wogen gingen verteufelt hoch, und wir standen manchmal zwei Bootslängen hoch an einer steilen Wasserwand. Dann spreizten die Riemen in der Luft, konnten nicht einlegen, und wir wurden kreuz und quer geschleudert. Der Ingenieur, der mit an den Riemen saß, sagte da plötzlich: »Wir sitzen ziemlich flach. Kaum drei Fuß. Auf Fels.«
    »Nicht möglich«, erwiderte der Erste Offizier. Er tastete nach dem Riemen, lotete und sagte dann: »Sie haben recht, ’raus, ’raus.«
    Er hatte den Befehl noch halb im Munde, da gingen wir steil an einer Wand hoch. Die Welle nahm uns wie eine kleine Untertasse und haute das ganze Boot mit solcher Wucht auf den Fels, daß es in tausend Splitter ging.
    »Stanislaw!« schrie ich hinaus in das Toben der Wellen. »Hast du was, wo du kleben kannst?«
    »Nicht einen dürren Strohhalm«, schrie er mir zu. »Ich schwimme zurück zum Eimer. Der steht ein paar Tage gut so, wie er da steht. Der fällt dir so leicht nicht auf die Zehen.«
    Die Idee war nicht schlecht. Ich versuchte, Kurs auf das schwarze Ungetüm zu halten, das sich gegen den Nachthimmel klar abhob.
    Und verflucht noch mal, wir kamen beide ’ran, obgleich wir einige dutzendmal immer wieder zurückgeschleudert worden waren.
    Wir kletterten ’rauf und suchten in Mittschiff zu kommen. Das war nicht so leicht. Die Achternwand bildete jetzt das Deck oder das Dach für das Mittschiff. Die beiden Korridore waren tiefe Schächte geworden, in die hinunterzukommen während der Nacht nicht gut vollführt werden konnte und selbst bei Tage seine Schwierigkeiten haben würde. Die Wogen gingen außerordentlich hoch und schienen an Wucht noch zuzunehmen. Offenbar waren wir bei Ebbe aufgebrummt, denn das Wasser begann zu steigen.
    Die »Empreß« stand fest wie ein Turm, eingeklemmt in einer Riffspalte. Wie sie in diese unschiffsmäßige Lage kommen konnte, wußte wohl nur sie allein. Sie zitterte kaum und bebte nicht, so fest stand sie. Nur manchmal, wenn ein besonders schwerer Brecher gegen ihren Panzer tobte, zuckte sie mit den Schultern, als wolle sie ihn abschütteln. Sturm war gar nicht. Der Aufruhr lag nur in der schweren See. Es sah auch nicht danach aus, als ob Sturm aufkommen würde. Nicht in den nächsten sechs Stunden. Dann graute der Himmel! Die Sonne ging auf. Frisch gewaschen stieg sie aus ihrem Seebade empor zu den weiten Höhen.
    Zuerst lugten wir aus über die See. Es war nichts zu sehen. Kein Mann schien übrig zu sein. Daß irgendeiner aufgepickt
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