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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff
Autoren: B. Traven
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ich mag Ihr Gequassel nicht. Außerdem verstehe ich nicht ein einziges Wort von Ihrem Geklärter. Scheren Sie sich zum Teufel.«
    »Sie sind Engländer, nicht wahr?« fragte er nun in Englisch.
    »No, Yank.«
    »Aha, also Amerikaner.«
    »Yes, und nun lassen Sie mich ungeschoren und machen Sie, daß Sie fortkommen. Ich will mit Ihnen nichts zu tun haben.«
    »Aber ich mit Ihnen, ich bin von der Polizei.«
    »Da haben Sie aber Glück, lieber Freund, guter Posten«, sagte ich darauf. »Was ist denn los? Geht es Ihnen dreckig oder was haben Sie sonst für Sorgen?«
    »Seemann?« fragte er weiter.
    »Yes, old man. Haben Sie vielleicht einen Posten für mich?«
    »Von welchem Schiff?«
    »Tuscaloosa von New Orleans.«
    »Ist ’rausgegangen um drei Uhr morgens.«
    »Ich brauche Sie nicht, damit mir das erzählt wird. Haben Sie keinen besseren Witz auf Lager? Der ist schon sehr alt und stinkt.«
    »Wo haben Sie Ihre Papiere?«
    »Was für Papiere?«
    »Ihre Seemannskarte.«
    Ei, Schokoladencreme mit Appelsauce! Meine Seemannskarte? Die steckte in meiner Jacke, und die Jacke war in meinem Kleidersack, und mein Kleidersack lag mollig unter meiner Bunk in der Tuscaloosa, und die Tuscaloosa war – ja, wo konnte sie jetzt sein? Wenn ich nur wüßte, was sie heute für Breakfast bekommen haben! Den Speck hat der Nigger sicher wieder anbrennen lassen, na, ich will ihm mal etwas erzählen, wenn ich die Galley streichen komme.
    »Na, Ihre Seemannskarte. Verstehen doch, was ich meine.«
    »Meine Seemannskarte. Wenn Sie die meinen sollten, nämlich meine Seemannskarte. Da muß ich Ihnen doch die Wahrheit gestehen. Ich habe keine Seemannskarte.«
    »Keine Seemannskarte?« Das hätte man hören müssen, in welch einem entgeisterten Ton er das sagte. Ungefähr so, als ob er sagen wollte: »Was, Sie glauben nicht, daß es Meerwasser gibt?«
    Ihm war das unfaßbar, daß ich keine Seemannskarte hatte, und er fragte es zum dritten Male. Aber während er es diesmal fragte, offenbar rein mechanisch, hatte er sich von seinem Erstaunen erholt und fügte hinzu: »Keine andern Papiere? Paß oder Identitätskarte oder etwas Ähnliches?«
    »Nein.« Ich durchsuchte meine Taschen emsig, obgleich ich genau wußte, daß ich nicht einmal einen leeren Briefumschlag mit meinem Namen bei mir hatte.
    »Kommen Sie mit mir!« sagte darauf der Mann.
    »Wohin kommen?« fragte ich, denn ich wollte doch wissen, was der Mann vorhat und auf welches Schiff er mich verschleppen will. Auf ein Rumboot gehe ich nicht, das kann ich ihm schon jetzt vorher erzählen. Da kriegen mich keine zehn Pferde mehr ’rauf.
    »Wohin? Das werden Sie gleich sehen.« Daß der Mann besonders freundlich gewesen wäre, hätte ich nicht behaupten können, aber die Heuerbase sind nur dann schietfreundlich, wenn sie für einen Kasten durchaus niemand kriegen können. Das also schien hier ein ganz wackeres Bötchen zu sein, auf das er mich bringen wollte. Ich hätte nicht gedacht, daß ich so schnell wieder auf einen Eimer kommen würde. Glück muß man haben und nur nicht immer gleich verzagen.
    Endlich landeten wir. Wo? Richtig geraten, Sir, in der Polizeistation. Da wurde ich nun gleich gründlich untersucht. Als sie mich durch und durch gesucht hatten und ihnen keine Naht mehr ein Geheimnis war, fragte mich der Mann ganz trocken:
    »Keine Waffe? Keine Werkzeuge?« Na, da hätte ich ihm aber doch so schlankweg eine brennen können. Als ob ich ein Maschinengewehr in der oberen Hälfte des Nasenloches und eine Brechstange unter dem Augenlid hätte verstecken können! Aber so sind die Leute. Wenn sie nichts finden, behaupten sie, man habe es versteckt; denn daß man das nicht besitze, wonach sie suchen, das können sie nicht begreifen und lernen sie auch nie begreifen. Damals wußte ich das noch nicht.
    Dann hatte ich mich vor einem Schreibpulte aufzustellen, an dem ein Mann saß, der mich immer so ansah, als hätte ich seinen Überzieher gestohlen. Er öffnete ein dickes Buch, in dem viele Photographien waren. Der Mann, der mich hierher gebracht hatte, spielte den Übersetzer, weil wir uns sonst nicht hätten verständigen können. Als sie unsre Jungens brauchten, im Kriege, da haben sie uns verstanden; jetzt ist das längst vorbei, und da brauchen sie nichts mehr zu wissen.
    Der Hohepriester, denn so sah er aus hinter seinem Schreibpult, sah immer auf die Photographien und dann auf mich, oder genauer, auf mein Gesicht. Das tat er mehr als hundertmal, und seine Halsmuskeln wurden nicht
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