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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff
Autoren: B. Traven
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heute weniger wert als jener alte Nagel. Der Nagel könnte nicht entbehrt werden, der Seemann, der übriggebliebene, wird nicht vermißt, die Kompanie spart seinen Lohn. Ein Seemann ohne Schiff, ein Seemann, der nicht zu einem Schiff gehört, ist weniger als der Dreck auf der Gasse. Er gehört nirgends hin, niemand will etwas mit ihm zu tun haben. Wenn er jetzt da ins Meer springt und ersäuft wie eine Katze, niemand vermißt ihn, niemand wird nach ihm suchen. »Ein Unbekannter, offenbar ein Seemann«, das ist alles, was von ihm gesagt wird.
    Das ist ja recht lieblich, dachte ich, und jener Welle des Verzagtseins gab ich rasch ordentlich eins auf den Kamm, so daß sie sich davonmachte. Mache das Beste aus dem Schlechten, und das Schlechte verschwindet im Augenblick.
    Gosh, schiet den ollen Eimer, da sind andre Schiffe in der Welt, die Ozeane sind ja so groß und so weit. Kommt ein andres, ein besseres. Wieviel Schiffe gibt es auf der Welt? Sicher eine halbe Million. Davon wird doch eines einmal einen Deckarbeiter gebrauchen können. Und Antwerpen ist ein großer Hafen, da kommen sicher alle diese halbe Million Schiffe einmal her, irgendwann und irgendeinmal sicher. Muß man nur Geduld haben. Ich kann doch nicht erwarten, daß gleich da drüben schon so ein Kasten liegt und der Kapitän in Todesangst schreit: »Herr Deckarbeiter, kommen Sie schnell ’rauf zu mir, ich brauche einen Deckarbeiter, gehen Sie nicht zum Nachbar, ich flehe Sie an.«
    So sehr kümmerte ich mich auch wahrhaftig nicht um die treulose Tuscaloosa. Wer hätte das von diesem schönen Weibsbild gedacht? Aber so sind sie, alle, alle. Und sie hatte so saubere Quartiere und ein so gutes Essen. Jetzt haben sie gerade Breakfast, diese verfluchten Halunken, und essen meine Portion Ham and Eggs mit. Wenn sie wenigstens nicht der Slim kriegen wollte, denn diesem Hund von einem Bob gönne ich sie nicht. Aber der wird ja gleich der erste sein, der meine Sachen durchstöbert und sich das Beste heraussucht, ehe sie abgeschlossen werden. Diese Banditen werden die Sachen überhaupt nicht abschließen lassen, sie werden sie glatt unter sich verteilen und sagen, ich hätte nichts gehabt, diese Banditen, diese niederträchtigen. Dem Slim ist ja auch nicht zu trauen, er hat mir so schon immer die Toilettenseife gestohlen, weil er sich mit der Kernseife nicht waschen wollte, dieser geschniegelte Broadwayhengst. Yes, Sir, das machte der Slim. Sie hätten das nicht von ihm geglaubt, wenn Sie ihn gesehen hätten.
    Wahrhaftig nicht, so sehr kümmerte ich mich nicht um den davongelaufenen Kasten. Aber was mich ernsthaft bekümmerte, war, ich hatte nicht einen roten Cent in meiner Tasche. Jenes hübsche Mädchen hatte mir in der Nacht erzählt, daß ihre so herzinnig geliebte Mutter schwer krank sei, und sie hätte kein Geld, um Arznei und kräftiges Essen zu kaufen. Ich wollte für den Tod der Mutter nicht verantwortlich sein, deshalb gab ich dem hübschen Mädchen alles Geld, das ich bei mir hatte. Ich wurde reichlich belohnt durch die tausend beglückten Danksagungen des Mädchens. Gibt es irgend etwas in der Welt, das beglückender wäre als die tausend Danksagungen eines hübschen Mädchens, dessen geliebte Mutter man soeben vom Tode errettet hat? No, Sir.
     

3.
     
    Ich setzte mich auf eine große Kiste, die da lag, und folgte der Tuscaloosa auf ihrem Wege über das Meer. Ich hoffte und wünschte, daß sie auf einen Felsen aufbrennen möchte und so gezwungen wäre, zurückzukommen oder wenigstens die Mannschaft auszubooten und zurückzuschicken. Aber sie ging den Felsenriffen schön aus dem Wege, denn ich sah sie nicht zurückkommen. Jedenfalls wünschte ich ihr von Herzen alle Unglücksfälle und Schiffbrüche, die einem Schiffe nur begegnen können. Was ich mir aber am deutlichsten ausmalte, das war, daß sie Seeräubern in die Hände fiele, die das ganze Schiff von oben bis unten ausplündern und dem Biest Bob die ganzen Sachen wieder abnehmen würden, die er sich ja nun inzwischen wohl angeeignet haben wird, und daß sie ihm eins so mächtig auf seine grinsende Fratze hauten, daß ihm sein Grinsen und Sticheln für sein ganzes Leben verginge.
    Gerade als ich mich anschickte, ein wenig einzudröseln und von jenem hübschen Mädchen zu träumen, klopfte mir jemand auf die Schulter und weckte mich auf. Er begann sofort so rasend schnell auf mich einzureden, daß mir ganz schwindlig wurde.
    Ich wurde wütend und sagte ärgerlich: »O rats, lassen Sie mich in Ruh;
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