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Das Tor ins Nichts

Titel: Das Tor ins Nichts
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Bewegungen, wieder zu mir herum. Sein Blick glitt über die Maschinenpistole in meiner Hand und saugte sich an meinem Gesicht fest.
    »Sie haben gewonnen, Mister Craven«, sagte er. »Erschießen Sie mich.« In seiner Stimme war keine Spur von Angst. Sie klang nur bitter.
    Fünf, zehn Sekunden lang starrten wir uns wortlos an und dann tat ich etwas, was ich selbst kaum verstand: Sorgsam legte ich den Sicherungshebel der MP um, damit sich nicht aus Versehen ein Schuß lösen konnte und warf die Waffe so weit von mir, wie es nur ging.
    »Erschießen?« Ich schüttelte den Kopf. »Wofür halten Sie mich, DeVries? Wir haben noch nicht zu Ende gespielt, nicht wahr?« Ich deutete auf seine Königin. »Was ist das? Auch eine Ihrer kleinen technischen Spielereien, DeVries?«
    Es fiel mir schwer, mich an den Gedanken zu gewöhnen, daß ich die ganze Zeit nichts als einem Roboter gegenübergestanden hatte. Er sah so echt aus. So lebendig.
    DeVries’ Augen weiteten sich ungläubig. »Noch nicht … zu Ende gespielt?« wiederholte er fassungslos. »Was meinen Sie damit?«
    »Springer B8 auf C6«, sagte ich laut. »Schach!«
    DeVries taumelte unter der elektrischen Entladung zurück, starrte mich einen Moment lang ungläubig an und fuhr dann herum. »König E5 auf E6«, sagte er. Eine zaghafte Hoffnung machte sich auf seinem Gesicht breit, etwas, das ich in diesem Moment für pure Verzweiflung hielt und das doch etwas ganz, ganz anderes war.
    »Springer C6 auf D4«, erwiderte ich. »Schach.«
    DeVries stöhnte noch lauter, ballte die Fäuste und starrte zu Frans hinauf, als wollte er ihn mit Blicken töten. »König E6
    auf E7«, sagte er. »Was soll das, Craven? Sie … Sie haben doch schon gewonnen!«
    Statt einer Antwort hob ich die Hand und deutete auf meinen Springer. »Springer D4 auf FS, DeVries. Schach und Gardez.«
    Meine Figur führte den Zug gehorsam aus, und DeVries begann lauthals zu fluchen, als zwei dünne, knisternde Blitze aus den Augen des Stahlpferdes schossen und seine Brust und die Dame gleichzeitig trafen. Von draußen ertönte ein ungeheuerlicher Donnerschlag, wie um meinen Zug zu bestätigen.
    »Damit kommen Sie nicht durch, Craven!« sagte er. »Sie betrügen! Es war nicht vereinbart, daß Ihnen jemand helfen darf!«
    »Robert hör auf!« rief Frans von der Galerie herab. Ich sah, wie er mit schnellen Schritten die Stufen herabgelaufen kam, und eine leise, aber sehr eindringliche innere Stimme begann mir zuzuflüstern, daß er recht hatte. Aber ich konnte nicht aufhören. Etwas in mir trieb mich dazu weiterzumachen. Ich Narr. »Ihr Zug«, antwortete ich kalt.
    DeVries starrte mich eine Sekunde lang an. Dann lächelte er wieder und ganz plötzlich hatte ich das Gefühl, einen entsetzlichen Fehler begangen zu haben. »Sie glauben, gewonnen zu haben, wie? Ich gebe zu, daß ich beim nächsten Zug meine Dame verliere aber damit steht das Spiel allerhöchstens unentschieden. Es war vereinbart, daß Sie siegen müssen.«
    Er trat zwei Schritte vor. »E7 auf E6«, sagte er. »Nehmen Sie sich die Dame, wenn es Ihnen Spaß macht! Sie verlieren trotzdem.«
    Ich schlug seine Dame. Die gewaltige Stahlkreatur verging in einem grellen Blitz, aber DeVries’ Reaktion bestand nur in einem abfälligen Verziehen der Lippen.
    »Bravo, Craven«, sagte er. »Sie haben hervorragend gespielt.
    Aus diesem Grunde gewähre ich Ihnen sogar noch eine weitere Gnade. Sie dürfen zusehen, wie Ihr idiotischer Freund da oben stirbt!«
    Und in diesem Moment erwachten die riesigen Schachfiguren abermals zum Leben.
    Ich hörte einen Schrei, fuhr herum und sah, wie Frans rückwärts gehend die Treppe hinauftorkelte, verfolgt von einem Ding, das wie ein riesiger Skorpion aus Eisen aussah. Ein anderes bizarres Metallwesen ohne Kopf, dafür aber mit entschieden zu vielen Armen, näherte sich klickend und rasselnd Pri. Frans fluchte und drückte zwei, drei, viermal rasch hintereinander ab, aber die Kugeln jaulten als harmlose Querschläger davon.
    Auch von der anderen Seite rückten die gigantischen Killermaschinen heran, und ich sah mich plötzlich von fast einem halben Dutzend waffenstarrender Eisenungeheuer bedrängt.
    »Jetzt sterbt ihr!« kreischte DeVries mit der schrillen Fistelstimme eines Wahnsinnigen. »Ihr habt euch zu früh gefreut.
    Der Sieg ist mein!«
    Ich starrte den näherrückenden Maschinen entgegen, schätzte hastig die Zeit ab, die mir noch blieb, und warf einen letzten Blick zu DeVries hinüber. Der wahnsinnige Magier
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