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Das Tor ins Nichts

Titel: Das Tor ins Nichts
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Finger der Figur sein sollten, und mit einem gewaltigen Hieb zerfetzte sie die metallene Außenhaut meines Damenbauern, der scheppernd und klappernd zu Boden fiel und vom Spielfeld rollte. Doch statt daß der feindliche Bauer nun, wie ich erwartet hatte, zur Bewegungslosigkeit erstarrt wäre, wandte er sich gegen mich, aus seinem Inneren erscholl ein leises Klicken, und vier winzige Metallpfeile sausten zischend durch die Luft.
    DeVries’ hämisches Kichern ging in meinem Schmerzensschrei unter, als sich die Pfeilspitzen in meine Wade bohrten.
    Ich brach zusammen und umklammerte stöhnend mein getroffenes Bein. Die Wunde war winzig, aber sie tat höllisch weh.
    Der Schmerz trieb mir die Tränen in die Augen.
    DeVries lachte leise. »Oh, ich habe ja ganz vergessen, Ihnen zu sagen, daß wir hier um einen höheren Einsatz spielen, mein lieber junger Freund«, sagte er. »Sie sollten sich ein bißchen konzentrieren.« Er kicherte, wartete, bis ich taumelnd wieder auf die Beine gekommen war, und rief dann, »Ihr Zug, Mister Craven!«
    Und das war erst der Anfang.

    »D5 auf C6«, sagte DeVries triumphierend. »Schach, mein Freund.«
    Ich duckte mich instinktiv, obwohl ich wußte, wie sinnlos es war. DeVries’ Springer eine mehr als zwei Meter große Scheußlichkeit, die wie ein metallener Alptraum von Pferd aussah sprang mit einem gewaltigen Satz auf das angegebene Feld und zermalmte meinen vorletzten Bauern. Ein Hagel winziger, scharfkantiger Eisensplitter brach aus den Nüstern des silbernen Riesenpferds und schlug in meine rechte Hand.
    Gleichzeitig zuckte ein blauweißer Blitz aus der Stirn des Ungetüms und traf mich in die Brust. Ich fiel auf die Knie und rappelte mich mühsam wieder auf. Vor meinen Augen begann sich das Schachbrett zu verzerren.
    »Ihr Zug, mein Freund«, sagte DeVries gehässig. »Und wenn ich Ihnen einen Rat geben darf reißen Sie sich ein wenig zusammen. Matt in vier Zügen, würde ich sagen.«
    Ich ignorierte seine Worte und versuchte verzweifelt, mich auf das Spiel zu konzentrieren. Meine Gedanken wirbelten ziellos durcheinander, und jeder einzelne Schlag meines Herzens vibrierte schmerzhaft bis in meine Fingerspitzen nach.
    Wenn ich mich nur konzentrieren könnte! Mehr als die Hälfte von DeVries’ Figuren waren geschlagen, aber auch die schwarzen Reihen hatten sich gelichtet und für jede verlorene Figur war eine neue Wunde hinzugekommen. Keine von ihnen war tödlich, aber sie schmerzten furchtbar. Ich hatte kaum noch die Kraft, aufrecht zu stehen, und das Denken fiel mir immer schwerer.
    »E8 auf … F8«, sagte ich mühsam und kroch mehr von dem bedrohten Feld herunter, als ich ging.
    DeVries schüttelte tadelnd den Kopf. »Das war nicht besonders klug«, sagte er. »Sie haben meine Dame übersehen, fürchte ich. Dame F2 schlägt Bauer C5 und bietet Schach.«
    Ich spannte mich, als die gewaltige silberne Damenfigur diagonal über da Feld herangerast kam und meine letzte Bauernfigur einfach niederwalzte. Ein fingerlanger Metallpfeil raste heran und bohrte sich in meinen rechten Bizeps. Eine halbe Sekunde später traf mich ein weiterer Stromschlag und ließ mich aufschreien.
    »F8 auf … G8«, stöhnte ich.
    DeVries seufzte. »Sie enttäuschen mich wirklich«, sagte er.
    »Dame C5 auf D5 und schon wieder Schach.«
    Diesmal betäubte mich die elektrische Entladung fast.
    Sekundenlang versuchte ich die schwarzen Schleier zu vertreiben, die mein Bewußtsein zu verschlingen drohten. DeVries’ Gestalt schien sich wie in einem Zerrspiegel zu verbiegen, als ich zu ihm hinübersah.
    »War das wirklich so klug?« fragte DeVries. »Sie werden sterben, wenn Sie nicht achtgeben, mein Freund.«

    »Das glaube ich nicht«, stöhnte ich. »Sie … spielen nicht besonders gut, DeVries.«
    »Ich weiß«, antwortete DeVries ungerührt. »Wäre es anders, wäre das Spiel auch unfair. Denn Sie, mein lieber Mister Craven, sind mit Verlaub gesagt ein miserabler Spieler.«
    »Dieser Zug kostet Sie die Dame«, antwortete ich mühsam.
    »Springer B6 schlägt Dame D5.« Mit letzter Kraft stemmte ich mich in die Höhe und sah zu meinem Pferd hinüber. Die Figur bewegte sich nicht.
    »Was … bedeutet das?« flüsterte ich. »Wollen Sie mich betrügen?«
    DeVries schüttelte den Kopf. »Keineswegs. Ich betrüge nicht. So wenig, wie ich Ihren Springer übersehen habe. Ich möchte Ihnen nur Gelegenheit geben, sich diesen Zug noch einmal in Ruhe zu überlegen.«
    Mühsam taumelte ich auf die Füße, wischte mir mit
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