Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Tor ins Nichts

Titel: Das Tor ins Nichts
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Frans’ blassem Gesicht fest. Ich wußte, daß DeVries die Wahrheit sagte. Die Dame würde auch meinen zweiten Turm schlagen, und nur mit einem Springer konnte ich nicht gewinnen, ganz egal, wie gut ich spielte. Wäre dies ein normales Spiel gewesen, hätte ich versuchen können, wenigstens ein Remis herauszuholen. Aber dies war kein normales Spiel.
    »Turm A6 auf E6«, murmelte ich. »Schach«.
    Meine Figur führte den Zug gehorsam aus. Ein dünner Blitz zuckte aus ihrer Vorderseite und traf DeVries in die Brust. Er schien kaum einen Schmerz zu verspüren, ganz im Gegenteil
    DeVries lachte nur höhnisch und stellte seine Dame zwischen meinen Turm und sich selbst.
    »Sie verlieren, Mister Craven«, sagte DeVries sarkastisch.
    »Aber nehmen Sie es nicht persönlich es ist ja nur ein Spiel, nicht wahr?«
    Ich spürte kaum noch, wie mir seine Dame abermals Schach bot und mich ein weiterer Stromschlag traf, kaum daß ich meinen Turm auf ein sicheres Feld zurückgezogen hatte. Ich wußte auch nicht, warum ich mich überhaupt noch wehrte.
    Vielleicht hatte ich einfach nicht mehr die Kraft aufzugeben.
    Mühsam schleppte ich mich auf das Nachbarfeld, blickte meine letzten beiden verbliebenen Figuren an und versuchte vergeblich, das Chaos hinter meiner Stirn so weit zu ordnen, daß ich einen vernünftigen Zug zustande brachte. Plötzlich wußte ich nicht einmal mehr, nach welchen Regeln sich die Figuren zu bewegen hatten.
    DeVries machte seinen nächsten Zug und betrachtete mich kopfschüttelnd. »Ich weiß nicht, was ich mehr bewundern soll, Mister Craven«, sagte er. »Ihre Zähigkeit oder Ihr Talent als Schachspieler.«
    »Und ich weiß nicht, was ich mehr verachten soll, Vater
    deine Grausamkeit oder deine Gnadenlosigkeit.«

    Es dauerte endlose Sekunden, bis die Worte in mein von Schmerz und Schwäche umnebeltes Gehirn vordrangen und ich begriff, daß weder DeVries noch der Mann mit der Maschinenpistole sie gesprochen hatten. Erst als die beiden sich herumdrehten und mit offenkundiger Überraschung zur Treppe hinaufsahen, genauer gesagt, zu der Galerie, die sich der Treppe anschloß, hob auch ich mühsam den Kopf und erblickte eine schlanke, schwarzhaarige Gestalt, die hinter dem Geländer stand und aus fassungslos aufgerissenen Augen auf DeVries und mich herabstarrte.
    DeVries überwand seine Überraschung schneller als ich. Sein Gesicht verdunkelte sich vor Zorn. »Priscilla!« donnerte er.
    »Was tust du hier? Geh sofort zurück auf dein Zimmer!«
    Pri machte sich nicht einmal die Mühe, den Kopf zu schütteln. Sie starrte DeVries nur an, und etwas in diesem Blick schien ihn davon zu überzeugen, daß er seine Macht über sie unwiderruflich verloren hatte.
    Und dann tauchte eine zweite Gestalt neben Pri auf. Sie war ebenso schlank wie sie, aber einen guten Kopf größer, hatte hellblondes Haar und etwas Kleines, Schwarzes in den Händen, das sich auf den Mann mit der MP richtete. »Versuchen Sie es nicht«, sagte Frans ruhig.
    Der Templer versuchte es trotzdem. Er riß seine Waffe in die Höhe und brach mit einem keuchenden Schrei in die Knie, als Frans abdrückte und ihm eine Kugel in die Schulter jagte.
    Die MP fiel aus seinen Händen und glitt klappernd über die Fliesen davon.
    Ungläubig starrte ich die Gestalt oben auf der Treppe an, dann die weiße Königin, hinter deren metallenem Visier Frans’
    schreckensbleiches Gesicht glänzte, dann wieder ihn und dann, endlich, begriff ich.
    Der Zorn ließ mich für einen Moment selbst meine Schwä
    che vergessen. Mit einem Satz war ich bei der Waffe, nahm sie an mich und drehte mich wieder zu DeVries um. Aber der alte Magier würdigte mich keines Blickes, ja, er schien nicht einmal Frans zu sehen, der seinen Revolver jetzt auf ihn gerichtet hatte. Sein Augen brannten, während er Pri anstarrte.
    »Du hast ihn befreit, nicht wahr?« sagte er leise.
    Pri nickte. »Ja. Und ich habe noch mehr getan, Vater.« So, wie sie das Wort aussprach, klang es wie eine Beschimpfung.
    »Ich habe die Polizei benachrichtigt. Sie sind in spätestens einer Viertelstunde hier. Es ist aus.«
    »Warum?« fragte DeVries leise. »Warum, Priscilla?«
    »Warum?« Pri lachte, aber es klang eher wie ein kaum unterdrückter Schrei. »Weil du mich belogen hast. Von Anfang an. Du … du hast mich nie geliebt. Ich war nie deine Tochter, sondern bloß ein Werkzeug, nicht wahr?«
    DeVries antwortete nicht, sondern starrte Pri nur wie gebannt an. Dann drehte er sich, mit langsam, unendlich mühsamen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher