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Das Tor ins Nichts

Titel: Das Tor ins Nichts
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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von Zeit zu Zeit seine Erfolgserlebnisse.
    Mary, die Haushälterin, hatte das Essen bereits aufgetragen, und es schmeckte, wie üblich, ganz ausgezeichnet. Trotzdem stocherte ich so lange lustlos auf meinem Teller herum, bis sich Mary ein strafendes Stirnrunzeln und ein herausforderndes
    »Stimmt etwas mit dem Essen nicht, Sir?« nicht mehr verkneifen konnte.
    Ich schüttelte hastig den Kopf und beeilte mich, eine volle Gabel in den Mund zu stopfen. Mary war eine Perle; ich hätte nicht gewußt, wie ich AndaraHouse ohne sie hätte führen sollen. Aber sie konnte manchmal eine recht stachelige Perle sein.
    »Keineswegs«, sagte ich mit vollem Mund. »Das hat nichts mit Ihrem Essen zu tun, Mary, bestimmt nicht. Ich mußte nur an etwas denken.«
    »So?« sagte Mary spitz. »Warum tun Sie das nicht einfach nach dem Essen, Sir? Ein voller Magen denkt leichter.«
    Eine sonderbare Theorie doch ich hütete mich, ihr zu widersprechen, sondern beugte mich tiefer über meinen Teller.
    Aber wenn Mary einmal in Fahrt gekommen ist, gibt sie nicht so leicht auf. Wie gesagt, Mary war eine Perle aber seit dem Tode meines Großvaters bewohnte ich das riesige Herrenhaus allein, und Mary war wohl der Meinung, daß auch ein zwanzigjähriger Millionenerbe und Magier geordnete Verhältnisse braucht, und so versuchte sie eben manchmal als Mutterersatz zu fungieren. Nicht, daß ich wirklich etwas dagegen gehabt hätte aber gelegentlich ging sie mir damit auch gehörig auf die Nerven.
    »Sie haben wieder den ganzen Tag am Schreibtisch gesessen, wie?« fragte sie.
    Ich nickte und aß weiter.
    »Ein junger Mann wie Sie gehört an die frische Luft«, erklärte Mary, als ich ihr nicht den Gefallen tat zu antworten. »Sie verderben sich noch die Augen mit der ewigen Leserei«, fügte sie vorwurfsvoll hinzu. »Seit Monaten tun Sie nichts anderes, als in diesen staubigen alten Büchern zu schmökern.«
    Ich antwortete auch darauf nicht, worauf Mary tief gekränkt aus dem Zimmer rauschte. Zumindest konnte ich jetzt in Ruhe zu Ende essen, dachte ich.
    Weit gefehlt.
    Es vergingen keine zehn Sekunden, als aus der Halle ein so markerschütternder Schrei erscholl, daß ich wie von der Tarantel gestochen aufsprang und mit zwei gewaltigen Schritten an der Tür war.
    Mary schrie nicht mehr. Sie stand stocksteif da, hatte beide Hände vor den Mund geschlagen und blickte aus entsetzt aufgerissenen Augen und leichenblaß auf Merlin herab, der ein paar Schritte vor ihr saß.
    Und als ich den Kater ansah, verstand ich Marys Schrecken.
    Zwischen Merlins Fängen hing nichts anderes als eine tote Ratte. Eine der größten Ratten überdies, die ich je gesehen hatte.
    Aus den übrigen Räumen kam das Personal zusammengelaufen, denn Marys Schrei war natürlich überall im Haus gehört worden. Ich sah, wie Harlan, mein neuer Hausdiener, mit einem Schürhaken bewaffnet aus der Küche gestürzt kam, winkte hastig ab und näherte mich dem Kater. Merlin blickte mir stolz entgegen, und er wehrte sich auch nicht, als ich dicht vor ihm in die Hocke ging und nach seiner Beute griff, allerdings mit einem spürbaren Ekelgefühl und spitzen Fingern. Ich bin nicht zimperlich, und im allgemeinen habe ich auch keine Angst vor Ratten, aber diese hier war ein wahres Monster. Den Schwanz mitgerechnet, war sie fast so groß wie eine normale Katze. Wäre Merlin nicht rein zufällig der mit Abstand größte und fetteste Kater gewesen, der mir je untergekommen war, dann hätte er sie kaum so mühelos schlagen können.
    »Braver Junge«, sagte ich. »Das hast du gut gemacht, Merlin aber jetzt gib mir die Ratte.« Merlin sah mich beifallheischend an, begann mit dem Schwanz zu wedeln was bei Katzen nicht unbedingt ein gutes Zeichen sein muß und grub seine Fänge nur noch tiefer in den Rattenkörper. Erst zusammen mit Harlan gelang es mir, Merlin den toten Nager abzunehmen. Mary keuchte entsetzt und machte Anstalten, in Ohnmacht zu fallen, als ich mich aufrichtete und die tote Ratte dabei am Schwanz hielt. Und auch ich spürte einen eisigen Schauer, als ich sah, wie groß die Ratte wirklich war.
    »Bringen Sie dieses Tier weg, Harlan«, sagte ich.
    Harlan schluckte, ergriff die Ratte aber gehorsam am Schwanz und trug sie fort, wobei er sie allerdings so weit von sich weghielt, wie er nur konnte. Merlin maunzte enttäuscht und machte einen Versuch, hinter ihm herzulaufen, um sich sein zweites Abendessen doch noch zurückzuerobern, aber ich packte ihn rasch im Nacken und hob ihn hoch. Zum Dank
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