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Das Tor ins Nichts

Titel: Das Tor ins Nichts
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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erstaunlicher Fähigkeiten und Talente an mir entdeckt, seit ich das magische Erbe meines Vaters angetreten hatte, aber die vielleicht erstaunlichste Begabung von allen hatte ich schon immer besessen. Es war unmöglich, mich zu belügen. Ganz gleich, wer es versuchte, und ganz gleich, wie geschickt und überzeugend er es tat, ich wußte stets, ob mein Gegenüber die Wahrheit sprach oder nicht. Es hatte gewisse Vorteile, der Sohn eines leibhaftigen Magiers zu sein.
    Jeremy seufzte und machte einen weiteren Zug. »Du gibst wohl nie auf, wie?« fragte er.
    »Was soll ich aufgeben?« fragte ich. »Nach jemandem zu suchen, der uns hilft?«
    »Helfen?« Jeremy machte eine abfällige Handbewegung.
    »Aber wobei denn? Die Großen Alten sind vernichtet, Robert.
    Sie werden …«
    »Sie sind nicht vernichtet«, unterbrach ich ihn, schärfer und wohl auch ein bißchen lauter, als ich eigentlich gewollt hatte, denn einige der Gesichter an den Nachbartischen wandten sich uns zu und blickten tadelnd. Ich senkte meine Stimme, als ich weitersprach. »Wir haben einen von ihnen vernichtet, Jeremy, und auch das mehr durch Glück und Zufall als aus irgendeinem anderen Grund. Cthulhu und elf seiner Brüder leben noch, und sie werden sich nicht so schnell besiegt geben.«
    Jeremy seufzte erneut. Aber er widersprach nicht mehr. Es war weiß Gott nicht das erste Mal, daß wir dieses Gespräch führten. Jeremy kannte die Geschichte der Großen Alten so gut wie ich, und er wußte so gut wie ich, daß sie wahr war aber im Gegensatz zu mir glaubte er anscheinend nicht, daß sie sofort nach einem anderen Weg suchen würden, ihr Zeitgefängnis zu verlassen, nachdem wir sie einmal geschlagen harten.
    »Schach« sagte er plötzlich, wartete, bis ich verblüfft auf das Brett und seinen letzten Zug herabsah und fügte hinzu: »Und Matt.«
    Es ging auf Mitternacht zu, als wir nach AndaraHouse zurückkehrten. Jeremy und ich hatten noch lange geredet, nicht nur über Mijnheer DeVries und Schach, sondern über alles mögliche, und wie so oft hatte ich ihn eingeladen, mich noch auf einen Schlummertrunk nach Hause zu begleiten. Die Villa war dunkel und still, als ich die Tür öffnete. Harlan und die Mädchen waren schon lange nach Hause gegangen, und auch Mary schlief anscheinend schon, denn hinter den Fenstern ihres Zimmers im Erdgeschoß brannte kein Licht mehr.
    Jeremy bedeutete mir mit stummen Gesten, schon vor zu gehen, und warf Hut und Mantel achtlos auf die Garderobe und verschwand im GästeWC. Einen Moment wartete ich unschlüssig, dann durchquerte ich die Halle und stieg die Treppe ins erste Stockwerk hinauf.
    Der knöcheltiefe Teppich dämpfte meine Schritte, aber wie immer, wenn ich abends allein durch die schier endlosen Gänge der Villa ging, bemühte ich mich instinktiv, besonders leise aufzutreten und ja kein Geräusch zu machen. Lautlos öffnete ich die Tür zur Bibliothek, tastete nach dem Lichtschalter und legte ihn um.
    Nichts geschah. Ich versuchte es noch einmal, sah endlich ein, daß wohl die Birne durchgebrannt war und trat vollends ins Zimmer.
    Der Raum war dunkel, nur durch ein Fenster, dessen Vorhänge nicht ganz zugezogen waren, fiel ein schwacher Streifen silbernen Mondlichtes herein, so daß ich die Umrisse der Möbel als schwarze Schatten erkennen konnte. Vor der südlichen Wand leuchteten die vier Zifferblätter der Standuhr wie geheimnisvolle, mattgrüne Augen. Ich schloß die Tür hinter mir, ging zum Schreibtisch und streckte die Hand nach der Tischlampe aus.
    Irgendwo hinter mir raschelte etwas.
    Das Geräusch war nicht sehr laut, dennoch löste es in mir eine unklare, aber heftige Empfindung von Gefahr aus.
    Ich erstarrte mitten in der Bewegung, zog die Hand behutsam zurück und drehte mich ganz langsam herum. Draußen vor dem Fenster rissen die Wolken auf, und der Streifen silbernen Mondlichtes wurde heller, doch die Dunkelheit, die ihn umgab, schien sich eher noch zu verdichten. Die Schatten wurden schwarz und gleichzeitig härter, wie mit scharfen Tuschestrichen gezogen. Dann wiederholte sich das Rascheln. Und diesmal war es so deutlich, daß ich vollkommen sicher war, es mir nicht bloß eingebildet zu haben.
    Mit angehaltenem Atem sah ich mich um. Das Rascheln war jetzt permanent zu hören, ein gedämpfter, scharrender Laut, der mich an das Kratzen kleiner scharfer Krallen erinnerte; gleichzeitig glaubte ich einen schwachen, moderigen Geruch zu verspüren, der aus der gleichen Richtung wie das Geräusch kam.
    Meine
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