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Das Tor ins Nichts

Titel: Das Tor ins Nichts
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Sonst würden wir uns nämlich bald beide vor der Tür wiederfinden. Danach trat ich ein bißchen kürzer. Das letzte, was ich wollte, war, ihm irgendwelchen Ärger zu bereiten. Und nach und nach hatten sich die anderen Clubmitglieder an mich gewöhnt.
    Auch an diesem Abend sah kaum noch jemand auf, als ich den Rauchersalon betrat und zielstrebig auf Jeremy zuging, der wie immer vor mir eingetroffen war. Und wie meist hatte er das Schachbrett bereits aufgebaut und eine Pfeife entzündet.
    Jeremy Card war eigentlich überzeugter Nichtraucher außer wenn wir Schach spielten. Und insgeheim hegte ich den Verdacht, daß in seiner Pfeife noch irgend etwas anderes sein mußte als Tabak, denn das einzige Mal, daß ich ihn auf dem Schachbrett geschlagen hatte, war zugleich das einzige Mal gewesen, daß er nicht geraucht hatte.
    »Nimm Platz, Robert«, sagte er und machte eine einladende Handbewegung. »Wie du siehst, habe ich deinen ersten Zug schon gemacht.«
    Ich überhörte den Spott in seiner Stimme. Ich spielte immer mit Weiß, und ich begann immer mit demselben Zug Bauer E2 auf E4. Das war vielleicht nicht besonders fantasievoll, aber ich hatte auch nie behauptet, ein guter Schachspieler zu sein.
    Ich nickte einfach, winkte dem Butler, mir meinen Spezialdrink zu bringen PepsiCola mit Schweppes, was meinen Ruf, einfach unmöglich zu sein, im Club noch untermauert hatte , und sah ihn auffordernd an.
    »Dein Zug.«
    Jeremy sog genüßlich an seiner Pfeife und streckte die Hand nach dem Brett aus, führte die Bewegung aber nicht zu Ende, sondern ließ sie wieder zurücksinken und sah abwechselnd mich und das Schachbrett an. Er tat so, als überlege er, aber ich wußte, daß dem nicht so war. Ein so exzellenter Spieler wie Card mußte nicht überlegen, wenn er mit einem SchachAnalphabeten wie mir spielte. Es war reiner Psychoterror, der einzig und allein dem Zweck diente, mich nervös zu machen.
    »Du siehst nicht besonders gut gelaunt aus«, sagte er.
    »Das bin ich auch nicht«, gestand ich. »Ich habe den ganzen Tag versucht, einen Brief an diesen Mijnheer DeVries zu schreiben, aber ich bekomme keine zwei vernünftigen Zeilen zusammen.« Jeremy nickte und machte einen Zug, so beiläufig, daß ich es kaum bemerkte. Ich konterte damit, meinen Damenbauern um ein Feld vorzurücken. Jeremys Stirnrunzeln zeigte deutlich, was er davon hielt.
    »Ich weiß nicht, ob es sehr vernünftig ist, wenn du dich überhaupt mit DeVries beschäftigst«, sagte er. »Meiner Meinung nach ist er nichts als ein Scharlatan. Wenn er hier in London sein Unwesen triebe, hätte ich ihn längst eingesperrt.«
    »Ich habe dir seine Bücher doch gezeigt, oder?« fragte ich.
    Jeremy war der einzige Mensch, mit dem ich über meinen Verdacht geredet hatte.
    »Sicher. Aber das muß gar nichts bedeuten«, antwortete er.
    »Er kann das alles irgendwo aufgeschnappt haben.«
    »Aufgeschnappt? Ein Zitat aus dem Necronomicon?«
    »Warum nicht?« antwortete Jeremy und machte einen weiteren Zug. »Das Buch ist alt, Robert. Wer weiß, wie oft es kopiert worden ist.« Er schüttelte überzeugt den Kopf, wartete meinen Zug ab und konterte blitzschnell. »Wenn dieser DeVries wirklich ein Magier wäre, dann hätte er es nicht nötig, Dummköpfen das Geld aus der Tasche zu ziehen.«
    »Vielleicht ist es eine Tarnung«, erwiderte ich.
    Jeremy schnaubte. »Eine schöne Tarnung, die ihn ins Gefängnis bringen wird.«
    Ich blickte vom Schachbrett hoch und sah ihm nachdenklich ins Gesicht. »Sagst du das nur so, oder hast du etwas in Erfahrung gebracht?« fragte ich. Ich hatte Jeremy schon vor Wochenfrist gebeten, seine Verbindungen zur Amsterdamer Polizei spielen zu lassen, um mehr Informationen über den geheimnisvollen Mijnheer DeVries zu bekommen.
    »Leider nicht«, antwortete er. »Ich habe es versucht, aber mein Freund in Amsterdam kann im Moment keine Zeit für Gefälligkeiten erübrigen. Dort drüben ist der Teufel los.«
    Ich blickte fragend.
    »Ich weiß auch nichts Genaues«, erklärte Jeremy. »Eine höchst spektakuläre Einbruchsserie, soweit ich gehört habe.
    Jemand stiehlt alles, was nicht niet und nagelfest ist, ohne auch nur die geringsten Spuren zu hinterlassen.«
    Nun, das ging mich nichts an. »Ich werde ihm schreiben«, antwortete ich. »Und wenn er auch auf meinen Brief nicht antwortet, fahre ich selbst zu ihm. Wenn ich diesem Mann gegenüberstehe, dann weiß ich, ob er ein Scharlatan ist oder nicht.« Das war nicht übertrieben. Ich hatte eine Menge
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