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Das Todeswrack

Das Todeswrack

Titel: Das Todeswrack
Autoren: Clive Cussler , Paul Kemprecos
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aus dem Schlaf gerissen. Der hohle Knall hielt nur für den Bruchteil einer Sekunde an und wurde zunächst von einem gequälten Kreischen abgelöst, als Stahl auf Stahl traf.
    Dann kam ein Furcht erregendes Splittern und Knirschen, als würde die Oberdeckkabine implodieren. Carey riss die Augen auf und starrte angsterfüllt auf etwas, das wie eine bewegliche grauweiße Wand aussah und sich nur ein kurzes Stück vor ihm befand. Carey war erst vor wenigen Minuten eingeschlafen. Er hatte seiner Frau Myra einen Gutenachtkuss gegeben und war unter die kühlen Laken seines Einzelbetts in ihrer Erste-Klasse-Kabine geschlüpft. Myra hatte noch ein paar Seiten in ihrem Roman gelesen, bis ihre Lider immer schwerer wurden. Sie schaltete das Licht aus, zog sich die Decke bis zum Kinn empor und seufzte wohlig. Die angenehmen Erinnerungen an die sonnenverbrannten Weinberge der Toskana waren noch ganz frisch.
    Früher am Abend hatten sie und Jake im Speisesaal der ersten Klasse mit Champagner auf den Erfolg ihres Italienaufenthalts angestoßen. Carey hatte einen Schlummertrunk in der Belvedere Lounge vorgeschlagen, aber Myra hatte erwidert, dass sie auf ewig den Spaghetti abschwören würde, wenn sie auch nur noch einmal hören musste, wie die Band »Arrivederci Roma« spielte.
    Kurz vor halb elf zogen sie sich zurück.
    Nachdem sie Hand in Hand an den Geschäften auf dem Foyerdeck vorbeigeschlendert waren, nahmen sie den Aufzug eine Etage nach oben und gingen nach vorn zu ihrer großen Oberdeckkabine auf der Steuerbordseite. Sie stellten ihr Gepäck hinaus auf den Flur, wo die Stewards es rechtzeitig vor ihrer morgigen Ankunft in New York abholen würden. Das Schiff schlingerte ganz leicht, denn es war immer topplastiger geworden, je mehr Treibstoff aus den großen Tanks im Rumpf aufgebraucht wurde. Es fühlte sich an, als würde man in einer riesigen Wiege geschaukelt werden, und so schlief auch Myra Carey schnell ein.
    Jetzt erhielt das Bett ihres Mannes einen heftigen Stoß. Er wurde in die Luft geschleudert, als hätte man ihn mit einem Katapult abgeschossen. Dann stürzte er eine halbe Ewigkeit im freien Fall nach unten, bevor er klatschend aufschlug. Es wurde dunkel um ihn.
    Auf den Decks der
Andrea Doria
ging der Tod um.
    Er streifte von den feudalen Kabinen auf den oberen Ebenen zu den Quartieren der Touristenklasse unterhalb der Wasserlinie. Zweiundfünfzig Leute wurden unmittelbar durch den Zusammenstoß getötet oder tödlich verwundet. Auf dem Erste-Klasse-Deck, wo das Loch am breitesten war, wurden zehn Kabinen zerstört. Am unteren Ende war das Loch am schmälsten, aber die Kabinen unter der Wasserlinie waren kleiner und dichter belegt, so dass die Folgen sogar noch verheerender ausfielen.
    Leben oder Tod der Passagiere hing von den Launen des Schicksals ab. Ein Gast in der ersten Klasse, der sich gerade die Zähne geputzt hatte, lief zurück in sein Schlafzimmer, dessen Wand auf einmal fehlte. Seine Frau war verschwunden. Auf dem luxuriösen Foyerdeck wurden zwei Leute augenblicklich getötet. Sechsundzwanzig italienische Immigranten in den kleineren, billigeren Kabinen auf dem untersten Deck, darunter eine Frau und ihre vier kleinen Kinder, befanden sich direkt im Zentrum der Kollision und starben in einem Gewirr aus zermalmtem Stahl. Aber es gab auch Wunder. Ein kleines Mädchen wurde aus einer Erste-Klasse-Kabine gehoben und wachte im zerdrückten Bug der
Stockholm
auf. In einer anderen Kabine stürzte die Decke auf ein Paar herab, aber es gelang ihnen, hinaus auf den Gang zu kriechen.
    Die Leute auf den beiden untersten Decks hatten es am schwersten und mussten sich ihren Weg nach oben durch die schrägen, von Rauch erfüllten Korridore bahnen, während ihnen öliges schwarzes Wasser entgegenströmte. Nach und nach erreichten die Menschen die Sammelpunkte und warteten auf Anweisungen.
    Kapitän Calamai befand sich nach dem Zusammenprall auf der entlegenen Seite der unbeschädigten Brücke. Er erholte sich von seinem anfänglichen Schock und zog den Hebel des Schiffstelegrafen auf »Stopp«. Schließlich kam das Schiff im dichten Nebel zum Stillstand.
    Der zweite Offizier eilte zum Inklinationskompass, jene m Gerät, mit dem die Neigung des Schiffs gemessen wurde.
    »Achtzehn Grad«, sagte er. Wenige Minuten später meldete er sich erneut: »Neunzehn Grad.«
    Dem Kapitän rann ein kalter Schauder über den Rücken. Die Schlagseite durfte eigentlich nicht mehr als fünfzehn Grad betragen, auch wenn zwei Kammern
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