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Das Todeswrack

Das Todeswrack

Titel: Das Todeswrack
Autoren: Clive Cussler , Paul Kemprecos
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geflutet waren. Eine seitliche Neigung von mehr als zwanzig Grad würde zu viel für die Trennwände sein.
    Sein Verstand sagte ihm, dass die Lage hoffnungslos war. Die Konstrukteure sicherten zu, dass das Schiff im Gleichgewicht bleiben würde, sofern nicht mehr als zwei beliebige Kammern geflutet waren. Der Kapitän forderte Schadensberichte von jedem Deck an, vor allem hinsichtlich des Zustands der wasserdichten Schotten, und befahl, einen SOS-Ruf mit der Positionsangabe des Schiffs auszusenden.
    Die Offiziere kamen mit den Schadensberichten zur Brücke zurück. Die Mannschaft des Maschinenraums versuchte, die Steuerbordkammern auszupumpen, aber das Wasser strömte zu schnell nach. Der Kesselraum war geflutet, und zwei weitere Kammern meldeten einen Wassereinbruch.
    Das Problem war das A-Deck, das eigentlich als stählerne r Deckel über den Querschotten dienen sollte, mittels derer das Schiff in einzelne Kammern unterteilt wurde. Über die Passagiertreppen floss Wasser in die anderen Kammern.
    Der Offizier gab die neueste Anzeige bekannt.
    »Zweiundzwanzig Grad.«
    Kapitän Calamai brauchte keinen Blick auf den Inklinationskompass zu werfen, um zu wissen, dass die Schlagseite zu heftig war, um wieder ausgeglichen werden zu können. Der schräge, mit Karten übersäte Boden zu seinen Füßen war Beweis genug.
    Das Schiff starb.
    Er war wie betäubt vor Kummer. Bei der
Andrea Doria
handelte es sich nicht einfach um
irgendein
Schiff. Die neunundzwanzig Millionen Dollar teure Königin der italienischen Schifffahrtsgesellschaft war das prächtigste und luxuriöseste Passagierschiff auf See. Sie war kaum vier Jahre alt, und ihr Stapellauf hatte der Welt beweisen sollen, dass die italienische Handelsmarine nach dem Krieg wieder im Geschäft war. Mit dem anmutigen schwarzen Rumpf, den weißen Aufbauten und dem schnittigen grünweißroten Schornstein wirkte der Liner eher wie die Arbeit eines Bildhauers als die eines Schiffbauingenieurs.
    Außerdem war dies
sein
Schiff. Er hatte die
Doria
auf ihren Probefahrten und bei hundert Atlantiküberquerungen befehligt.
    Er kannte ihre Decks besser als die Zimmer seines eigenen Hauses. Er wurde dessen nie überdrüssig, wie der Besucher eines Museums von einem Ende zum anderen zu schlendern, die Arbeit von einunddreißig der besten Künstler und Handwerker Italiens in sich aufzunehmen, sich an der Renaissancepracht der Spiegel zu erfreuen, der Vergoldungen, des Kristalls, der edlen Hölzer, erlesenen Gobelins und Mosaiken. Umgeben von den riesigen Wandgemälden, die an Michelangelo und andere italienische Meister gemahnten, würde er im Foyer der ersten Klasse vor der massiven Bronzestatue Andrea Dorias verharren, dessen Größe nur von der des Kolumbus übertroffen wurde.
    Der alte genuesische Admiral stand hier allzeit bereit, beim ersten Anzeichen eines feindlichen Piratenschiffs das Schwert zu ziehen.
    All das würde verloren gehen.
    Die Passagiere standen für den Kapitän an erster Stelle. Er wollte gerade den Befehl zum Verlassen des Schiffs erteilen, als ein Offizier ihm den Zustand der Rettungsboote meldete. Die Boote auf der Backbordseite konnten nicht zu Wasser gelassen werden. Somit blieben acht Boote auf der Steuerbordseite. Sie hingen weit draußen über dem Meer. Selbst wenn man sie hinablassen konnte, boten sie nur der Hälfte der Passagiere Platz. Er wagte es nicht, den Befehl zu geben. In Panik würden die Passagiere auf die Backbordseite eilen, und es würde ein völliges Chaos ausbrechen.
    Er hoffte inständig, dass in der Nähe befindliche Schiffe ihr SOS aufgefangen hatten und sie im Nebel ausfindig machen konnten.
    Es blieb ihm nichts anderes übrig, als abzuwarten.
    Angelo Donatelli hatte soeben einer Tischrunde fröhlicher New Yorker, die ihre letzte Nacht an Bord der
Doria
feierten, ein Tablett Martinis serviert, als er einen Blick aus einem der mit Stoff behängten Fenster warf, die in drei Wände der eleganten Belvedere-Lounge eingelassen waren. Ihm war so, als habe er irgendeine merkwürdige Bewegung gesehen.
    Die Lounge befand sich vorn auf dem Bootsdeck mit der offenen Promenade, und normalerweise hatten die Passagiere der ersten Klasse tagsüber und in klaren Nächten einen herrlichen Ausblick auf das Meer. Heute jedoch hatten die meisten Gäste es inzwischen aufgegeben, hinaus in die weiche graue Wand zu starren, die die Lounge umgab. Es war reiner Zufall, dass Angelo aufschaute und die Lichter und Relings eines großen weißen Schiffs sah, das
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