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Das Testament des Gunfighters

Das Testament des Gunfighters

Titel: Das Testament des Gunfighters
Autoren: Jack Slade
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    ***
    Marjorie Grant hatte den Nachmittag in Timmys Kammer damit verbracht, das Heft zu lesen, dessen Titelzeichnung ihr so unter die Haut gegangen war.
    Die Geschichte handelte von zwei Brüdern, die sich in die gleiche Frau verliebt hatten. Am Ende bekam keiner der beiden, was er wollte. Das Mädchen ließ sich von einem reichen Geschäftsmann beschwatzen und ging mit ihm nach Kalifornien. Die Brüder vertrugen sich wieder und schworen sich, nie wieder wegen einer Frau einen Streit vom Zaun zu brechen.
    Als Marjorie das Heft aus der Hand legte, fühlte sie sich gar nicht so schlecht. Die Story hatte sie von ihrem eigenen Schicksal abgelenkt.
    Bei einem Blick in den Spiegel beschloss sie, sich ein wenig zurechtzumachen. Sie sah ja aus wie eine Vogelscheuche.
    Nachdem sie sich gründlich gewaschen hatte, schüttete sie das Wasser aus der Schüssel vor die Tür, steckte ihr Blondhaar hoch und begann, in Timmys Truhe nach passenden Kleidungsstücken zu wühlen. Die verdreckten Fummel, die sie am Leib trug, waren nur noch als Aufwischlappen zu gebrauchen.
    Sie fand eine Leinenhose und ein kurzärmeliges Sommerhemd in ihrer Größe. Kurz entschlossen zog sie die Sachen an.
    Nur schade, dass in Timmys Zimmer keine Kosmetik zu finden war. Sie stieß nur auf einen fast leeren Flakon mit einem herb duftenden Rasierwasser. Aus Mangel an Alternativen tupfte sie sich je einen Tropfen davon unter die Ohrläppchen. Dann kämmte sie ihr Haar und stellte sich vor den Spiegel.
    »Toll«, sagte sie und zwinkerte sich zu.
    Als sie anschließend nach etwas Essbarem suchte, fiel ihr Blick auf das Heft, das sie gerade gelesen hatte. Der Mann auf dem Pferd. An was erinnerte er sie bloß?
    Sie merkte, dass sie wieder ins Grübeln abdriftete. Unter Aufbietung all ihrer Willensstärke verdrängte sie die verstörenden Gedanken. Es wurde Zeit, dass sie sich nützlich machte. Wenn Timmy von der Arbeit kam, sollte er ein gutes Abendessen vorfinden.
    Leider fand sie nur einen Kanten angeschimmeltes Brot, eine knochentrockene Speckschwarte und zwei verformte Konserven ohne Etikett. Aus diesen Zutaten würde auch der beste Koch kein schmackhaftes Gericht zaubern können.
    Marjorie gab ihr Vorhaben auf. Stattdessen begann sie, die Kammer zu reinigen. Als sie dabei war, den Fußboden zu schrubben, kam Timmy nach Hause. Er trug einen klobigen Weidenkorb, über dem ein maisgelbes Tuch gebreitet war.
    Marjorie war so froh, dass sie endlich nicht mehr allein war.
    Fröhlich grinsend hob er den Korb. »Ich habe eingekauft, Ma’am«, sagte er. »Ihnen wird das Wasser im Mund zusammenlaufen, wenn Sie sehen, was heute auf dem Speisezettel steht.«
    »Ma’am«, meinte sie vorwurfsvoll und zog die Nase kraus. »Das klingt, als wäre ich deine Mutter. Wie wär’s, wenn du mich Marjorie nennst?«
    »Okay, Marjorie.« Er stellte den Korb auf den Tisch.
    Als er das Tuch hob, reckte Marjorie neugierig den Hals. Ein Laib Brot, eine große Dose Cowboybohnen, Zwiebeln, Äpfel, Zitronen, Tomaten, Chili und ein ansehnliches Fleischpaket. Ein appetitlicher Geruch strömte ihr entgegen. Timmy hatte wirklich an alles gedacht.
    Spontan drückte sie ihm einen Kuss auf die Wange.
    Er wurde feuerrot und blickte scheu zur Seite.
    Marjorie trat schnell ein wenig zurück. Sie hatte den Jungen nicht überrumpeln wollen. Stumm beobachtete sie, wie er das Eingekaufte auf den Tisch packte.
    »Ich habe mit Mr. Rump, dem Portier, gesprochen«, sagte er beiläufig. »Er hat gesehen, wie Lassiter und Mrs. Fuller Sie in das Hotel gebracht haben.«
    »Ach ja?«
    »Mr. Rump sagt, Sie wären ganz schön angeschlagen gewesen. Völlig von der Rolle, verstehen Sie?«
    Marjorie setzte sich auf den Hocker. Es war zum Haare ausraufen! Obwohl sie angestrengt nachdachte, blieb ihr Kopf leer wie ein ausgehöhlter Kürbis.
    »Soll ich dir mal was verraten, Timmy?«
    »Na?«
    »Sieht so aus, als hätte ich mein Gedächtnis verloren«, sagte sie leise. »Ich kann machen, was ich will. Ich kann mich an fast nichts mehr erinnern. Mein ganzes Leben ist – einfach ausgelöscht. Ich weiß nicht, wer ich bin. Weißt du, wie schrecklich das ist?«
    Eine Weile sprach niemand ein Wort. »Ich wäre froh, wenn ich mich an manches nicht mehr erinnern würde«, verkündete er dann. »Da gab es Sachen, auf die ich nicht unbedingt stolz bin.«
    »Na ja, stimmt schon«, räumte sie ein. »So eine kleine Lücke mag ja noch angehen. Bei mir allerdings ist das anders. Ich weiß nicht mal, was ich früher
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