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Das Teehaus im Grünen

Das Teehaus im Grünen

Titel: Das Teehaus im Grünen
Autoren: Mary Scott
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aufregte. Deshalb stellte sie nur fest: »Du bist ein Idiot. Aber sie hätte dir eine Chance geben sollen.«
    Vicky lachte. »Das tat sie auch. Es war aber schon die zweite. Beim erstenmal hatte es sich nur um wenige Pence gehandelt. Es war ein goldiger alter Herr, der ums Leben gern ein bestimmtes Buch hatte haben wollen; er hatte aber keinen Pfennig Geld dabei. So ein paar Pennys fallen doch bei einer Bücherei nicht ins Gewicht.«
    »Es hat wohl keinen Sinn, so wie Miss Walsh zu sagen, das sei eine Frage der Rechtschaffenheit.«
    »Dieses blödsinnige Wort! Fang nicht auch du noch damit an, Lucy! Was das Pfund betrifft, so tut’s doch nichts zur Sache, woher es stammt, wenn sie’s nur überhaupt bekommen. Jedenfalls zahlte sie mir mein Gehalt aus, und damit war Schluß.«
    »Das kann ich mir denken. Und was nun?«
    »Ich denke an Krankenpflege. Ich habe eine Vorliebe für kranke Leute.«
    Lucy hatte Bedenken. Was Vicky ihre »netten kleinen Schwindeleien« nannte, konnte in einem Krankenhaus ernste Folgen haben. Außerdem gab es da männliche Patienten, von den jungen Ärzten gar nicht zu reden. Vicky war für Männer stets unwiderstehlich gewesen, und sie war bezaubernder denn je mit ihrem rosigen Teint (das einzige, was sie anscheinend von ihrem Vater geerbt hatte), den grauen Augen mit den schwarzen Wimpern und der aparten Schönheit ihres schmalen Gesichts. Nein, das Krankenhaus war nichts für sie.
    »Da steh ich nun mit meinen zweiundzwanzig Jahren«, erklärte Vicky theatralisch. »Ohne Kenntnisse und ohne Anhang.«
    Diese letzte Bemerkung überraschte Lucy. In jenen aufregenden Jahren nach der Schulzeit, als die beiden Mädchen dauernd beisammen gewesen waren, hatte es immer einen Schwarm von Männern um Vicky gegeben. Aber sie meinte nur: »Wir werden schon was finden.« Ihr fiel ein, daß bei ihr im Büro das junge Mädchen gekündigt hatte; man würde dort jemanden brauchen, der das Telefon bediente, Aufträge entgegennahm und freundlich zu den Kunden war. Das mochte für den Augenblick das richtige sein.
    Vicky hatte ihre Freundin genau beobachtet. Lucy sah müde und ein wenig blaß aus, aber sie wirkte nach wie vor sehr anziehend. Doch irgendwie schien die Schönheit ihrer Freundin, an der sie so hing, zu verblassen. Sie dachte: Sie hat ein gut geschnittenes Gesicht, und das schöne dunkle Haar ist voll und glänzend. Sie besitzt eine tadellose Figur — ein bißchen größer als ich und ganz schlank. Warum ist sie eigentlich nicht so schön wie ihre Mutter? »Wie geht es deiner Mutter?« fragte sie unvermittelt. »Ist sie noch so schön, und sieht sie immer noch wie fünfundzwanzig aus?«
    »Bestimmt. Dafür ist ihr nichts zu teuer. Du weißt, daß sie vor drei Monaten wieder geheiratet hat und nach England gezogen ist?«
    »Ja, das stand in deinem letzten Brief. Hat sie einen netten Mann?«
    »Godfrey Henderson? Sehr nett und sehr reich. Sie fordern mich dauernd auf, hier aufzuhören und sie zu besuchen.«
    Daß sie eine solche Reise ernsthaft plante, aber nicht lang bei ihren Eltern bleiben würde, sagte sie nicht. In Gegenwart ihrer Mutter spürte sie immer ein Minderwertigkeitsgefühl. Ihre Mutter war so schön und so erfolgreich! Zur Zeit kam sich Lucy wie ein Versager vor. Aber daran war natürlich Gordon schuld.
    Als sie ihren Tee getrunken hatten, blieben sie noch ein bißchen sitzen.
    »Daß du momentan keinen Verehrer hast, überrascht mich«, meinte Lucy endlich. »Du hattest doch immer so viele Verehrer, und du bist nun schon zehn Tage da. Das langt doch eigentlich.«
    »Wie drollig, daß du das sagst. Ich bin nämlich in der Klemme wegen Alec.«
    Also gab es doch ein männliches Wesen. »Was ist mit Alec?«
    »Es ist so schwierig. Ich habe schreckliche Angst, ihm zu begegnen.«
    »Warum? Ist er so stürmisch?«
    »Ach nein, er ist nett, aber ich möchte nicht, daß er erfährt, daß ich noch hier bin. Es war nicht meine Schuld, weißt du. Ich hätte nie gedacht, daß er mir so bald einen Antrag machen würde, und mir fiel so schnell nichts ein.«
    »Keine Zeit, um eine gute Lüge zu erfinden? Was hast du ihm denn gesagt?«
    »Ich habe ihm erklärt, ich könnte ihn nicht heiraten, weil ich gleich zurück nach Australien müßte. Ich wollte seine Gefühle schonen — und jetzt linse ich um jede Ecke, damit ich ihm nicht begegne.«
    »Das paßt zu dir! Weshalb hast du nicht gesagt, daß du ihn nicht heiraten willst?«
    »Aber Lucy, das wäre grausam gewesen, und er ist so sensibel!
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