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Das Teehaus im Grünen

Das Teehaus im Grünen

Titel: Das Teehaus im Grünen
Autoren: Mary Scott
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Wohnung teile.«
    Die Wohnung teilen? Vicky entschied, daß dieser Ausdruck nur zufällig gefallen sein konnte. Die letzten Jahre hatten sie gelehrt, daß man nicht zuviel vom Schicksal erwarten durfte. Aber mit Lucy an ihrer Seite fühlte sie sich sicher und getröstet. Augenblicklich verdrängte sie die Vergangenheit; sie vergaß das abscheuliche Zimmer samt der unfreundlichen Vermieterin, und am nächsten Morgen beschloß sie, einen Job zu finden, koste es, was es wolle.
    Als sie aus dem Badezimmer kam, lächelte Lucy über die kleine Gestalt in dem billigen Pyjama, mit den zerzausten blonden Haaren und dem feinen Gesicht, von dem jetzt alle Schminke abgewaschen war.
    »Du siehst immer noch aus, als ob du vierzehn wärst! Du könntest dich in der Aufbauschule einschreiben lassen, und kein Mensch würde dich nach deinem Alter fragen.«
    »Ich weiß«, erwiderte Vicky kleinlaut. »Es ist eben ein Kreuz.
    Aber wenn ich tüchtig Make-up benutze, Lidschatten auftrage und meine Haare hochtoupiere, ist es gleich besser. Jetzt will ich als erstes die Zeitungsanzeigen durchsehen und dann meine Kriegsbemalung auflegen.«
    Lucy erwähnte einstweilen nichts von der bescheidenen Stellung in ihrem Büro. Aber bei der erstbesten Gelegenheit schlug sie Mr. Sheldon vor: »Sie könnten es vielleicht mit ihr versuchen. Sie hat keine abgeschlossene Ausbildung, weil sie erst ihren Vater und später eine schwierige Tante versorgt hat. Aber sie hat eine angenehme Stimme und weiß sich sehr gewandt auszudrücken. Außerdem hat sie tadellose Manieren.«
    Da die vorige Bürokraft diese Vorzüge nicht hatte vorweisen können, meinte der alte Herr: »Schön. Sagen Sie ihr, sie soll sich möglichst bald bei mir vorstellen. Sie ist eine Freundin von Ihnen, nicht wahr?«
    »Eine sehr gute Freundin.«
    Daraufhin hatte Mr. Sheldon die Vorstellung von einer hochgewachsenen, ruhigen und würdevollen jungen Dame. Vielleicht nicht so attraktiv wie Miss Avery, aber doch so ähnlich. Seine Sekretärin war so tüchtig, daß er auch mit ihrer Freundin einen Versuch machen wollte.
    Er war deshalb sehr überrascht, als ein zierliches, hübsches junges Mädchen sein Büro betrat. Ihr etwas zu auffälliges Make-up konnte ihre Jugend nicht verdecken. Er hielt sie für vier Jahre jünger als seine unvergleichliche Miss Avery. Doch immerhin, die Schule hatte sie anscheinend hinter sich, und schließlich war es ja kein Schade, ein so hübsches Gesicht im Büro zu haben. Wahrscheinlich war sie nicht besonders intelligent, aber das niedrige Gehalt, das er ihr anbot, würde sie schon wert sein.
    »Können Sie morgen anfangen?«
    »O ja, sehr gern!«
    Sie antwortete so schnell, daß sich der Rechtsanwalt beinahe genierte, die Höhe des Gehalts zu nennen. Aber das junge Mädchen schien entzückt zu sein und dankte ihm mit einem bezaubernden Lächeln. Später meinte er zu Lucy: »Ihre kleine Freundin ist wohl noch sehr jung?«
    Lucy lächelte etwas ungnädig. »Sie ist genauso alt wie ich.« Mr. Sheldon wechselte schleunigst das Thema. Er versuchte, sich Miss Averys Alter ins Gedächtnis zu rufen. Zweiundzwanzig? Oder dreiundzwanzig? Das neue Mädchen konnte doch unmöglich schon so alt sein!
    Am Abend meinte Lucy: »Es ist doch albern, von zwei oder drei Tagen zu reden, es sei denn, du kannst auf meiner Couch nicht schlafen. Wollen wir nicht zusammenziehen?«
    Vicky war überwältigt. »Deine Couch ist wunderbar, und ich fände es wunderbar, wenn ich bleiben könnte. Aber ich möchte meinen Anteil bezahlen. Die Hälfte von der Miete und von allem. Einverstanden?«
    Nicht um alles in der Welt hätte Lucy den Mietpreis genannt. »Was die Wohnung betrifft«, sagte sie, »so schickt mir meine Mutter die Hälfte der Miete, und dabei bleibt’s, ob du nun hier wohnst oder nicht. Wenn du dich am Essen beteiligen willst, so steht dem nichts im Wege.« Im stillen beschloß sie, alle Rechnungen durchzusehen, ehe sie sie Vicky zeigte.
    Sie blieben also beisammen, und Lucy war glücklicher, als sie es seit ihrem Streit mit Gordon je gewesen war. Die Geschichte mit Brent Windro blieb freilich ärgerlich, und eines Abends, als es wieder mal ein Hin und Her am Telefon mit ihm gegeben hatte, berichtete sie Vicky von jener Unbesonnenheit in ihrem sonst so ordentlichen Dasein.
    »Wenn er einmal in meiner Abwesenheit anrufen sollte, dann bleib bitte fest und laß ihn nicht herkommen. Brent geht mir auf die Nerven. Erinnerst du dich an ihn?«
    »Nur dunkel. War er nicht einer der
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