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Das Teehaus im Grünen

Das Teehaus im Grünen

Titel: Das Teehaus im Grünen
Autoren: Mary Scott
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»Entschuldige, daß es hier so schlecht riecht. Das kommt wahrscheinlich von all den Leuten, die hier gelebt haben oder gestorben sind. Gerüche statt der Geister. Geister wären mir lieber.«
    Lucy erwiderte gar nichts; sie sah sich nur alles an. Eine Freundin, die Essen für eine Großküche ausfuhr, hatte ihr von solchen Wohnungen erzählt; sie hatte erklärt, sie würde die Hausbesitzer, die auf so abscheuliche Weise ihr Geld scheffelten, am liebsten abschießen. Vicky redete wie ein Wasserfall. »Ich weiß schon, daß es scheußlich bei mir ist. Ich warte ja nur, bis ich woanders ein Zimmer finde. Genau betrachtet, ist es hier aber auch recht romantisch.«
    »Genau betrachtet, ist es furchtbar, und du bleibst hier keine Stunde länger. Die Couch in meinem Wohnzimmer ist sehr bequem und genügt, bis du einen anständigen Job und ein anständiges Zimmer gefunden hast. Hör nur mal den Mann draußen auf der Treppe! Der ist betrunken!«
    Vicky lachte. »Darüber mußt du dich nicht aufregen, Lucy. Er ist wirklich ein ganz netter Mann; aber manchmal hat er Depressionen, und dann trinkt er zuviel. Das kommt davon, wenn einem die Frau weggelaufen ist.«
    »So? Ich weiß nur das eine: Du packst jetzt augenblicklich deine Siebensachen und übernachtest heute bei mir auf der Couch. Das ist wirklich das Beste.«
    Vicky wurde rot und zog ein unglückliches Gesicht. Sie fand es zwar herrlich, wieder von Lucy am Gängelband geführt zu werden und auf ihrer Couch zu schlafen, aber... Sie schluckte und meinte: »Ich möchte das, glaub ich, lieber nicht tun. Ich meine, ich kann’s nicht tun. Nicht gleich heute abend. Ehrlich, Lucy, versuche nicht, mich zu überreden!«
    »Lächerlich! Warum kannst du nicht? Bist du dieser habgierigen Person noch die Miete schuldig?«
    Schweigen. Und dann: »Das nicht gerade. Ich hätte schon genug, um die Miete bis heute zu bezahlen. Aber sie wird die Miete für weitere vierzehn Tage haben wollen, weil ich doch nicht rechtzeitig gekündigt habe.«
    »Wieviel macht das? Ach, stell dich doch nicht so an! Du kannst es mir ja wiedergeben... Waaas?? Du willst doch nicht etwa sagen, daß sie soviel für dieses Zimmer verlangt? Die hat vielleicht Nerven! Macht nichts. Hier ist meine Brieftasche. Jetzt geh und gib ihr das Geld für die nächsten vierzehn Tage. Wir wollen mit der Person keinen Streit anfangen. Ich werde einstweilen packen. Wo sind deine Koffer?«
    Vicky zog drei Koffer unter dem Bett hervor; Lucy machte sie auf und sagte nur: »Jetzt halt dich nicht auf und bemitleide nicht den Mann auf der Treppe wegen seines Schicksals. Geh sofort hinunter zu der Frau, gib ihr das Geld und sage, daß du ausziehst. Und hab keine Angst, du könntest ihre Gefühle verletzen.«
    Sie legte die Kleider in den einen Koffer und räumte die Kommode aus. Sie war betroffen über das wenige, was Vicky besaß. Als Vicky zurückkam, fragte sie: »Weshalb haben dich deine australischen Verwandten ohne Geld auf die Reise gehen lassen? Sie sind doch vermögend, nicht wahr?«
    Eifrig entschuldigte Vicky ihre Familie. »Sie haben das Fahrgeld bezahlt, und sie hätten mir noch mehr gegeben, wenn ich es gewollt hätte. Weißt du, ich konnte sie eigentlich nicht leiden. Deshalb habe ich gesagt, der Notar hier hätte genügend Geld für mich.«
    »Wenn du natürlich so anfängst! Komm, wir wollen sehen, daß wir fertig werden und hier rauskommen!«
    Rasch trugen sie die Koffer die schmutzige Treppe hinunter. Die Hausbesitzerin kam aus ihrem Zimmer und sah sie böse an. Sie wollte etwas sagen, aber sie begegnete Lucys eiskalten Blicken und zog sich wieder in ihre Höhle zurück. Vicky hatte durch die Anwesenheit ihrer Freundin so viel Mut gefaßt, daß sie die Haustür mit einem kleinen Freudenschrei öffnete. Lachend wandte sie sich Lucy zu. »Gerade wie in alten Zeiten. Immer hast du gesagt, was ich machen sollte. Es ist einfach herrlich, daß wir wieder beisammen sind!«
    Mit ihr wird alles ganz anders sein, dachte Lucy. Wie töricht hab ich mich Don gegenüber verhalten! Aber Schwamm drüber — nicht mehr dran denken. »Ich wollte, ich hätte ein Fremdenzimmer«, sagte sie zu Vicky. »Aber ich kann den einen Schrank leer machen für deine Sachen.«
    Vicky protestierte; sie sei es gewohnt, aus dem Koffer zu leben, und sie fände das eigentlich viel praktischer. »Und ich bleibe ja nur ein paar Nächte. Ich möchte dir nicht im Wege sein.«
    »Du bist mir nicht im Wege; du bist der einzige Mensch, mit dem ich meine
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