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Das Tao der Physik

Das Tao der Physik

Titel: Das Tao der Physik
Autoren: Fritjof Capra
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unwandelbaren Seins (Parmenides) mit der des
ewigen Werdens (Heraklit) in Einklang zu bringen, nahmen sie
an, daß sich das Sein in gewissen unveränderlichen Substanzen
manifestiert, deren Mischung und Trennung die Veränderungen in dieser Welt hervorruft. Dies führte zum Begriff des
Atoms, der kleinsten unteilbaren Einheit der Materie, der am
klarsten in der Philosophie des Leukipp und des Demokrit zum
Ausdruck kommt. Die
griechischen Atomisten
zogen eine
klare Trennungslinie zwischen Geist und Materie, wobei die
Materie aus vielen Grundbausteinen aufgebaut ist. Diese bewegten sich als völlig passive und durch und durch tote Teilchen
im leeren Raum. Der Grund für ihre Bewegung wurde nicht erklärt, wurde aber oft mit äußeren Kräften in Verbindung gebracht, die geistigen Ursprungs und grundsätzlich verschieden
von der Materie seien. In folgenden Jahrhunderten wurde dieses Bild ein wesentliches Element der westlichen Denkweise,
des Dualismus zwischen Geist und Materie, zwischen Körper
und Seele.
    Als die Idee der Teilung von Geist und Materie Fuß faßte,
wandten die Philosophen ihre Aufmerksamkeit mehr der geistigen als der materiellen Welt zu, der menschlichen Seele und
den Problemen der Ethik. Für mehr als zweitausend Jahre nach
dem Höhepunkt der griechischen Wissenschaft und Kultur im
fünften und vierten Jahrhundert v. Chr. beschäftigten diese
Fragen die westliche Gedankenwelt. Aus den wissenschaftlichen Kenntnissen der Antike schuf Aristoteles das Schema,
welches für zweitausend Jahre die Basis der westlichen Ansichten über das Universum wurde. Aber Aristoteles selbst glaubte,
daß Fragen der menschlichen Seele und das Nachdenken über
die Vollkommenheit Gottes viel wertvoller seien als das Erforschen der materiellen Welt. Der Grund für die lange Beständigkeit des aristotelischen Weltbildes war genau dieser Mangel
an Interesse für die materielle Welt und der starke Einfluß der
christlichen Kirche, die Aristoteles' Lehren durch das Mittelalter hindurch unterstützte.
    Die weitere Entwicklung der westlichen Wissenschaften
mußte bis zur Renaissance warten, als die Menschen sich vom
Einfluß des Aristoteles und der Kirche zu befreien begannen
und neues Interesse an der Natur gewannen. Im späten fünfzehnten Jahrhundert vollzog sich das Studium der Natur erstmalig in einem wirklich wissenschaftlichen Geist, und Experimente wurden durchgeführt, um spekulative Ideen zu überprüfen. Parallel dazu stieg das Interesse an der Mathematik. Es
führte schließlich zu genau formulierten
wissenschaftlichen
Theorien, die auf Versuchen basierten und in mathematischer
Sprache ausgedrückt wurden. Galilei war der erste, der empirisches Wissen mit Mathematik kombinierte, daher wird er als
Vater der modernen Wissenschaft betrachtet.
    Der Geburt der modernen Wissenschaft ging eine Entwicklung der philosophischen Denkweise voraus und nebenher, die
zu einer extremen Formulierung des Dualismus Geist vs. Materie führte. Diese Formulierung erschien im siebzehnten Jahrhundert in der Philosophie von Rene Descartes, der seine Ansicht von der Natur auf der grundsätzlichen Teilung in zwei getrennte und unabhängige Bereiche gründete: dem des Geistes (res cogitans) und dem der Materie (res extenso). Die Cartesianische Teilung erlaubte den Wissenschaftlern, die Materie als
tot und völlig von ihnen selbst getrennt zu behandeln, und die
stoffliche Welt als eine Ansammlung verschiedener, in einer
gewaltigen Maschine zusammengesetzter Objekte zu sehen.
Dieser mechanistischen Weltbetrachtung hing Isaac Newton
an, der seine Mechanik auf dieser Basis entwickelte und zur
Grundlage der klassischen Physik machte. Von der zweiten
Hälfte des siebzehnten bis zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts beherrschte das mechanistische Newtonsche Modell
alles wissenschaftliche Denken. Parallel dazu ging das Bild eines Gottes, der die Welt von oben mit seinen göttlichen Gesetzen regiert. Die Grundgesetze der Natur, nach denen die Wissenschaft forschte, wurden somit als Gottes ewige und unwandelbare Gesetze betrachtet, denen diese Welt unterworfen war.
    Descartes' Philosophie war nicht nur für die Entwicklung der
klassischen Physik von Bedeutung. Sie hatte und hat bis zum
heutigen Tag einen gewaltigen Einfluß auf die westliche Denkweise im allgemeinen. Descartes' berühmter Satz »Cogito ergo
sum« (Ich denke, also bin ich) brachte den westlichen Menschen dazu, seine Identität mit seinem Geist gleichzusetzen anstatt mit seinem gesamten
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