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Das Tao der Physik

Das Tao der Physik

Titel: Das Tao der Physik
Autoren: Fritjof Capra
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Satz: »Ich weiß,
daß ich nichts weiß«, und der Chinese Lao-tzu sagte: »Am besten ist es, nicht zu wissen, daß man weiß.« Im Osten geht der
Wert, der den beiden Arten des Wissens zugemessen wird, oft
schon aus den ihnen gegebenen Namen hervor. Die Upanischaden zum Beispiel sprechen von einem höheren und einem
niederen Wissen und bringen das niedere Wissen mit den verschiedenen Wissenschaften, das höhere mit religiösem Bewußtsein in Verbindung. Buddhisten sprechen von »relativem«
und »absolutem« Wissen oder von »bedingter Wahrheit« und
»transzendenter Wahrheit«. Die chinesische Philosophie andererseits hat immer die sich gegenseitig ergänzende Natur des
Intuitiven und des Rationalen betont und sie durch das archetypische Begriffspaar »Yin« und »Yang«, die die Basis der chinesischen
Gedankenwelt bilden, dargestellt.
Dementsprechend haben sich zwei einander ergänzende philosophische
Traditionen — Taoismus und Konfuzianismus — im alten China
entwickelt, um den beiden Arten des Wissens gerecht zu werden.
    Rationales Wissen leitet sich von den Erfahrungen ab, die wir
mit Gegenständen und Ereignissen in unserer alltäglichen Umgebung machen. Es gehört in das Reich des Intellekts, dessen
Funktion das Unterscheiden, Teilen, Vergleichen, Messen und
Kategorisieren ist. Auf diese Art wird eine Welt von intellektuellen Unterscheidungen geschaffen, eine Welt von Gegensätzen, die nur in Relation zueinander existieren können. Daher
nennen die Buddhisten diese Art von Wissen »relativ«.
    Ein entscheidender Zug dieser Art von Wissen ist die Abstraktion, weil zum Vergleichen und Klassifizieren der unermeßlichen Vielfalt von Formen, Strukturen und Phänomenen
um uns herum nicht alle deren Züge berücksichtigt werden
können; wir müssen einige wenige von Bedeutung heraussuchen.
    So konstruieren wir eine intellektuelle Landkarte der Realität, in welcher die Dinge auf ihren generellen Umriß beschränkt bleiben. Rationales Wissen ist somit ein
System
abstrakter Begriffe und Symbole,
charakterisiert durch die
lineare, folgerichtige
Struktur, welche für unser
Denken
und Sprechen typisch ist. In den meisten Sprachen wird diese
lineare Struktur erkennbar durch den Gebrauch von Alphabeten, welche zur Übermittlung von Erfahrungen und Gedanken in Form von langen Reihen von Buchstaben dienen.
    Die natürliche Welt dagegen ist von unendlicher Vielfalt und
Komplexität, eine vieldimensionale Welt, in der es keine geraden Linien oder völlig regelmäßige Formen gibt, in der die
Dinge nicht chronologisch ablaufen, sondern gleichzeitig; eine
Welt, in der, wie uns die moderne Physik belehrt, sogar der
leere Raum gekrümmt ist. Es ist klar, daß unser abstraktes System des begrifflichen Denkens diese Realität niemals vollständig beschreiben oder verstehen kann. Beim Nachdenken
über die Welt stehen wir vor dem gleichen Problem wie ein
Kartograph, der die gekrümmte Erdoberfläche auf einer Reihe
ebener Karten zu erfassen versucht. Von solch einem Vorgehen
können wir nur eine annähernde Darstellung der Wirklichkeit
erwarten, und alles rationale Wissen ist daher notwendigerweise begrenzt.
    Zum Bereich des rationalen Wissens gehört natürlich die Naturwissenschaft, die mißt und quantifiziert, klassifiziert und
analysiert. Die Begrenzung allen auf diese Art erhaltenen Wissens wurde in der modernen Wissenschaft zunehmend offensichtlich, besonders in der modernen Physik, welche uns mit
Werner Heisenbergs Worten lehrte, »daß nämlich jedes Wort
oder jeder Begriff, so klar er uns auch scheinen mag, doch nur
einen begrenzten Anwendbarkeitsbereich hat«. 1
    Für die meisten von uns ist es sehr schwierig, sich konstant
der Begrenzungen und der Relativität des begrifflichen Denkens bewußt zu sein. Da unsere Darstellung der Wirklichkeit so
viel leichter zu begreifen ist als die Wirklichkeit selbst, neigen
wir dazu, die beiden zu verwechseln und unsere Begriffe und
Symbole für die Wirklichkeit zu halten. Es ist eines der Hauptziele der östlichen Mystik, uns aus dieser Verwechslung herauszuführen.
Zen-Buddhisten sagen, daß man einen
Finger
braucht, um auf den Mond zu zeigen, aber daß wir uns die Mühe
sparen können, wenn der Mond einmal erkannt ist. Der taoistische Weise Chuang-tzu schrieb:
    Fischkörbe braucht man, um Fische zu fangen; aber sind die Fische
gefangen, vergessen die Männer die Körbe. Schlingen benutzt man,
um Hasen zu fangen; aber wenn die Hasen gefangen sind, vergessen
die Männer die
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