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Das Tao der Physik

Das Tao der Physik

Titel: Das Tao der Physik
Autoren: Fritjof Capra
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Schema
erklärt. Auch für die Physiker selber ist die Formulierung eines
solchen Modells in Worten, die dritte Stufe der Forschung, ein
Kriterium des Verstehens, das sie erreicht haben.
    In der Praxis sind diese drei Stadien natürlich nicht säuberlich getrennt und erscheinen nicht immer in derselben Reihenfolge. So mag beispielsweise ein Physiker durch seinen philosophischen Glauben zu einem bestimmten Modell geführt werden und seinem Glauben auch dann noch anhängen, wenn Experimente das Gegenteil andeuten. Er wird dann — und das geschieht in Wirklichkeit sehr oft - versuchen, sein Modell so zu
modifizieren, daß es die neuen Experimente erklären kann.
Wenn jedoch die experimentellen Daten weiterhin dem Modell
widersprechen, so wird er es irgendwann aufgeben müssen.
    Diese Art, jede Theorie auf Experimente zu gründen, ist als
die wissenschaftliche Methode bekannt, und wir werden sehen,
daß sie in der östlichen Philosophie ihr Gegenstück hat. Die
griechische Philosophie dagegen war in dieser Hinsicht grundsätzlich anders. Obwohl die Griechen geniale Vorstellungen
von der Natur hatten, die den modernen wissenschaftlichen
Modellen oft sehr nahe kamen, so liegt doch der enorme Unterschied zwischen den beiden in der empirischen Einstellung der
modernen Wissenschaft, die dem griechischen Denken im großen und ganzen fremd war. Die Griechen leiteten ihre Modelle
von einigen fundamentalen Axiomen oder Prinzipien und nicht
von Beobachtungen ab. Andererseits ist natürlich das griechische deduktive Denken ein wesentlicher Bestandteil des zweiten Stadiums der wissenschaftlichen Forschung, der Formulierung eines mathematischen Modells, und somit ein wesentlicher Teil der Naturwissenschaft.
    Die wissenschaftliche Forschung beruht zwar zum größten
Teil auf rationalem Wissen und Verfahren, aber nicht ausschließlich. Die rein rationale Forschung wäre in der Tat nutzlos, wenn sie nicht durch die Intuition ergänzt würde. Sie gibt den Wissenschaftlern neue Einsichten und macht sie kreativ.
Diese Einsichten neigen dazu, plötzlich zu kommen, und charakteristischerweise nicht dann, wenn man am Schreibtisch sitzt und die Gleichungen ausarbeitet, sondern in der Badewanne,
beim Waldspaziergang, am Strand usw. Während dieser Perioden der Entspannung nach konzentrierter intellektueller Aktivität scheint die intuitive Seite der Vernunft die Oberhand zu
gewinnen und kann dann die schlagartige Erleuchtung herbeiführen, die das Vergnügen und die Freude der wissenschaftlichen Forschung ist.
    Intuitive Erkenntnisse sind für die Physik jedoch nur dann
von Nutzen, wenn sie in einem folgerichtigen mathematischen
Rahmen formuliert werden können, ergänzt durch eine Erklärung in gewöhnlicher Sprache. Die Abstraktion ist ein wichtiges
Merkmal dieses Rahmens. Er besteht, wie schon erwähnt, aus
einem System von Begriffen und Symbolen, die eine Landkarte
der Wirklichkeit bilden. Diese Landkarte repräsentiert jedoch
nur einige Züge der Wirklichkeit; wir wissen nicht genau, welche es sind, da wir in unserer Kindheit angefangen haben, unsere Landkarte schrittweise und ohne kritische Analyse aufzubauen. Die Worte unserer Sprache sind somit nicht klar definiert. Sie haben mehrere Bedeutungen, von denen viele uns nur
sehr vage durch den Sinn gehen und weitgehend in unserem
Unterbewußtsein bleiben, wenn wir ein Wort hören.
    Die Ungenauigkeit und Vieldeutigkeit unserer Sprache ist
wichtig für Dichter, die weitgehend mit den unterbewußten
Schichten und Assoziationen der Sprache arbeiten. Die Wissenschaft dagegen zielt auf klare Definitionen und eindeutige
Zusammenhänge, und sie abstrahiert daher die Sprache noch
weiter, indem sie die Bedeutung ihrer Worte begrenzt und ihre
Struktur in Übereinstimmung mit den Gesetzen der Logik vereinheitlicht. Die letzte Abstraktion findet in der Mathematik
statt, wo Wörter durch Symbole ersetzt werden und wo die
Operationen zur Verbindung dieser Symbole streng definiert
sind. So können Wissenschaftler Informationen auf eine Gleichung bringen, d. h. auf eine einzige Zeile von Symbolen, die in
gewöhnlicher Sprache mehrere Seiten erfordert hätten.
Die Ansicht, daß Mathematik nichts sei als eine äußerst abstrakte und komprimierte Sprache, bleibt nicht ohne Widerspruch. In der Tat glauben viele Mathematiker, daß die Mathematik nicht bloß eine Sprache ist zur Beschreibung der Natur, sondern in der Natur selbst enthalten sei. Der Begründer
dieses Glaubens war Pythagoras, der die berühmte
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