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Das Tao der Physik

Das Tao der Physik

Titel: Das Tao der Physik
Autoren: Fritjof Capra
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zwischen östlicher und westlicher Mystik liegt darin, daß mystische Schulen im Westen immer nur eine Nebenrolle spielten, während sie die Grundlage
der östlichen philosophischen und religiösen Gedankenwelt
bilden. Der Einfachheit halber werde ich über die »östliche
Weltanschauung« sprechen und nur gelegentlich andere Quellen mystischer Gedanken erwähnen.
    Wenn uns die Physik heute auf einen im wesentlichen mystischen Weg weist, so kehrt sie damit in gewisser Weise zu ihrem
Ursprung zurück, der 2500 Jahre zurückliegt. Es ist interessant,
der Entwicklung der westlichen Wissenschaft auf ihrem gewundenen Pfad zu folgen, angefangen bei den mystischen Philosophen der alten Griechen bis zu der eindrucksvollen Entfaltung intellektueller Gedanken, die sich immer mehr von ihren
mystischen Ursprüngen entfernten, um eine Weltanschauung
zu entwickeln, die in scharfem Gegensatz zu der des Fernen
Ostens steht. In ihren jüngsten Stadien überwindet die westliche Wissenschaft schließlich diese Ansicht und kehrt zu derjenigen der alten Griechen und der östlichen Philosophien zurück. Diesmal jedoch basiert sie nicht nur auf Intuition, sondern auch auf sehr genauen, komplizierten Versuchen und auf
streng formaler mathematischer Logik.
    Die Wurzeln der Physik, wie die aller westlichen Wissenschaften, reichen in die erste Periode der griechischen Philosophie im sechsten Jahrhundert v. Chr. zurück, in eine Kultur, in
der Naturwissenschaften, Philosophie und Religion noch nicht
getrennt waren. Die Weisen der Milesischen Schule in Ionien
kannten diese Unterschiede nicht. Ihr Ziel war die Entdeckung
des Urgrunds oder der Urbeschaffenheit der Dinge, die sie
»Physis« nannten. Der Begriff »Physik« ist von diesem griechischen Wort abgeleitet und bedeutet daher ursprünglich das
Bemühen, den Urgrund aller Dinge zu erkennen.
    Dies ist natürlich auch das Hauptziel aller Mystiker, und die
Milesische Philosophie hatte tatsächlich einen starken mystischen Einschlag. Die späteren Griechen nannten die Mileter
»Hylozoisten« oder »jene, die denken, daß Materie lebt«, da
sie keinen Unterschied zwischen belebt und unbelebt oder
Geist und Materie sahen. Sie hatten nicht einmal ein Wort für
»Materie«, da sie alle Daseinsformen als Manifestation der
Physis sahen, ausgestattet mit Leben und Geist. So erklärte
Thaies alle Dinge als voll von Göttern, und Anaximander sah
das Universum als eine Art Organismus, der vom »Pneuma«,
dem kosmischen Atem, unterhalten wird, so wie der menschliche Körper von Luft unterhalten wird.
    Die monistische und organische Sicht der Mileter stand derjenigen der alten indischen und chinesischen Philosophie sehr
nahe, und die Parallelen zur östlichen Gedankenwelt sind in der
Philosophie des Heraklit von Ephesus sogar noch stärker ausgeprägt. Heraklit glaubte an eine Welt ständigen Wandels, des
ewigen »Werdens«. Für ihn war alles statische Sein eine Täuschung, und sein Universalprinzip war das Feuer, ein Symbol
für den ständigen Fluß und Wandel aller Dinge. Heraklit lehrte,
daß aller Wandel in der Welt vom dynamischen und zyklischen
Zusammenspiel von Gegensätzen herrührt, und er sah jedes
Paar von Gegensätzen als Einheit. Diese Einheit, die alle entgegengesetzten Kräfte durchdringt, nannte er den »Logos«.
    Die Spaltung dieser Einheit begann mit den Eleaten, die ein
göttliches Prinzip jenseits von Göttern und Menschen annahmen. Zuerst wurde dieses Prinzip mit der Einheit des Universums identifiziert, später sah man es als vernunftbegabten und
persönlichen Gott, der über der Welt steht und sie lenkt. So
begann eine Tendenz, die schließlich zur Trennung von Geist
und Materie und damit zu dem für die westliche Philosophie
charakteristischen Dualismus führte.
    Einen drastischen Schritt in dieser Richtung unternahm
Parmenides von Elea, der in starkem Gegensatz zu Heraklit
stand. Er nannte sein Grundprinzip das »Sein« und behauptete,
daß es einzig und unveränderlich sei. Er betrachtete Wandel als
unmöglich und hielt die Änderungen, die wir in der Welt
wahrzunehmen scheinen, für reine Sinnestäuschungen. Aus
dieser Philosophie entstand der Begriff einer unzerstörbaren
Materie als Träger sich verändernder Eigenschaften und wurde
zu einem der Grundbegriffe der westlichen Denkweise.
    Im fünften Jahrhundert v. Chr. versuchten die griechischen
Philosophen, den scharfen Kontrast zwischen der Anschauung
des Parmenides und des Heraklit zu überwinden. Um die Vorstellung des
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