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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel
Autoren: A.R. Lloyd
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Sturzbächen, schäumende Strudel bildend, in den Fluß, um sich mit der Hauptströmung zu vereinigen, und schließlich erreichte das Wasser das Meer. Es handelte sich um ein perfektes System für eine amphibische Invasion: Unter Wasser konnten sich die räuberischen Kundschafter unbemerkt vorwärts bewegen. Und sie verbreiteten eine furchterregende Feindseligkeit.
    Unterhalb der Mullen-Wiese, dort, wo die Flußbiegung auf den Wind traf, kräuselte sich das Wasser; Wellen schlugen beharrlich gegen die Uferböschung. Für die geschäftige Spitzmaus, die nur wenige Gramm wog und am Wasser beinahe fortgeweht wurde, waren die Wellen mit ihrer stürmischen Kraft riesengroß. Sich hebend und dann wieder zusammenbrechend, durchnäßten sie ihren winzigen Körper mit sprühender Gischt. Die Spitzmaus war von ihrer Tätigkeit ganz in Anspruch genommen: Da sie eine durchschnittliche Lebenserwartung von nur zwölf Monaten und einen unersättlichen Appetit hatte, lebte sie in einem Zustand neurotischer Dringlichkeit; ihre verschwindend kleine, spitz zulaufende Schnauze schnupperte in verzweifelter Eile nach Insekten.
    Das Teichhuhn auf dem Fluß bewegte sich stilvoll hin und her. Es schwamm auf den Wellenkämmen, ab und zu wurde es von ihnen verdeckt. Aus der Sicht der Spitzmaus besaß es die Anmut eines Schoners auf hoher See. Bei jedem Schlag seiner grünen Füße bewegten sich die Schwanzfedern des Teichhuhns ruckartig und enthüllten ein elegantes weißes Unterkleid; dazu nickte das prächtige Tier mit seinem roten Kopfschild. Ein Schauer von Wassertropfen verwischte das Bild, dann war es wieder deutlich zu sehen.
    In den Tiefen beschleunigte sich geräuschlos das phosphoreszierende Kielwasser der Nerze.
    Die braungetönte Schnepfe verließ das Schilfgras mit einem gellenden Schrei. Sie fand ihre Nahrung im schlammigen, seichten Wasser; die verwitterten Schwertlilien und die Gräser dienten ihr als ideale Tarnung. Ohne ein Risiko einzugehen, schwang sich die Schnepfe spiralenförmig in die Höhe, änderte schlagartig die Richtung, um Gewehr und Falken zu täuschen, beschrieb einen weiten Bogen und landete wieder auf sicherem Boden.
    Ein Käfer rührte sich. Die Spitzmaus zerdrückte ihn mit ihren winzigen Zähnen und verschluckte ihn. Die Wellen schlugen ständig gegen das Flußufer. Es war ein Pulsieren, ein ewig gleichbleibendes Vor und Zurück, das zu den unhörbaren Herzschlägen der Spitzmaus paßte. Auf der anderen Seite des Flusses stieß ein Reiher mit seinem Schnabel ins Wasser und fing einen Aal. Im gleichen Augenblick war das Teichhuhn verschwunden. Der Reiher blinzelte erstaunt. Der Aal zappelte in seinem Schnabel und schlug in die Luft. Das Teichhuhn war dort herumgeschwommen – und nun war es nicht mehr zu sehen. Eine kurze Zeit lang suchte die Spitzmaus den Fluß ab, aber ihre Sehkraft war nur gering, und sie kümmerte sich nicht weiter um den verschwundenen Vogel. Das Wasser, wogend und spritzend, führte ein eigenständiges Leben.
    Unsichtbar glitt das Nerzweibchen durch die Tiefe, ihren Gatten und Stellvertreter an ihrer Seite. Das zerfetzte Teichhuhn zwischen ihren Kiefern hinterließ eine rote Spur in den Fluten.
    Der Mann teilte die kräftige Weidenrute; er schnitt zwei Pflöcke zu, so daß er drei Längen vor sich hatte: die beiden Pflöcke, ungefähr zwanzig Zentimeter lang, und das Ausgangsstück, nun etwas länger als ein Meter. Im Nieselregen vornübergebeugt, ging von der vogelscheuchenhaften Gestalt des Mannes eine beeindruckende Wildheit aus. Mit gezielten Hieben seines Klappmessers kerbte er jeden Pflock so ein, daß sie eine Verbindung ergaben, wenn man sie zusammenpaßte. Dann machte er an einem Pflock eine Schnur fest und verband sie mit dem äußersten Ende der Rute. Das Ergebnis hatte Ähnlichkeit mit der selbstgebauten Angel eines Jungen; am dünneren Ende der Rute baumelte ein Pflock, der andere diente als Ersatz.
    Wilderer streckte seine Finger. Die Schmerzen in Armen und Schulter machten selbst diese einfache Arbeit zur Qual. Er befestigte einen dünnen Draht an dem angebundenen Pflock und formte eine Schlinge. Dann griff er wieder zum Messer. Entschlossen spitzte er nun ein Ende des zweiten Pflocks an und stieß ihn neben den Spuren der Ratte, die sich unterhalb des Hühnerstalls einquartiert hatte, in den Boden. Als nächstes spitzte er das dickere Ende der Rute an, verankerte sie, einen Schritt von den Rattenspuren entfernt, in der Erde und zog sie bogenförmig nach unten, bis die
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