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Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel
Autoren: A.R. Lloyd
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beiden Pflöcke zusammenpaßten und durch die stramme Schnur in Spannung gehalten wurden. Zuletzt legte er die feine Schlinge direkt über die Rattenspuren aus.
    Ratten waren äußerst geschickt. In Wilderers Jugend sagte man, daß eine Ratte erst dann wirklich gestorben war, wenn man sie zweimal getötet hatte; und die gebräuchliche Galgenschlinge arbeitete nach diesem Prinzip. Bei einer heftigen Bewegung der Schlinge lösten sich die Pflöcke voneinander, und die Rute schnellte hoch, wodurch das Opfer gleichzeitig erwürgt und erhängt wurde. Die Falle war unfehlbar. Befriedigt stand der Mann, die Hände in die Seiten gestemmt, dürr und grau im Nieselregen. Grau waren auch die dahinziehenden Wolkenmassen und die Flügel der Tauben, die gerade vorbeiflogen. Auf dem Feldweg zeigten sich die Landrover, die durch verklumpten Morast fuhren.
    Als er die Motoren hörte, hinkte Wilderer zur Hecke und starrte feindselig hinüber. Er spuckte kurz aus, als hagere Treiber aus den Fahrzeugen sprangen und ihre Gewehre auf die Ostseite des Waldes richteten. Zweimal im Winter durchkämmte die Jagdgesellschaft die Gegend nach umherstreifenden Fasanen, eine Angelegenheit, die jährlich ein oder zwei Stunden in Anspruch nahm. Der Mann, der im Tal lebte, verübelte den Jägern jede Minute. Auch Kine war aufgebracht. Während Wilderer sie versteckt beobachtete, lief das Wiesel verärgert zum Lebensbaum. Der Wald war kalt und naß. Von den riesigen Eichen tropfte es auf die frisch aufgeworfenen Erdhügel der Maulwürfe. Als er sich indem alten Wieselnest verkrochen hatte, bebte er vor Zorn. Von Auswärtigen in das Versteck gedrängt zu werden war eine üble Demütigung.
    Er war schlecht gelaunt. Aus der Ferne konnte er schlagende Geräusche und das Knacken von zerbrechenden Ästen hören, als die Treiber durch das Unterholz marschierten. Ein Fasan rannte an der Silberweide vorbei bis zu den letzten Bäumen vor der Wiese, duckte sich und beobachtete die regungslosen Linien der geneigten Gewehrläufe. Ein anderer schlich auf dem feuchten Laub ins gleiche Dickicht hinein. Hinter ihnen schwoll das Geschrei der Treiber an, bis der ganze Wald vom Lärm erfüllt war. Viele Tiere flüchteten nun, unter ihnen Kia, die sich in Kines Schlupfwinkel stürzte und mit ihm zusammenprallte. Aufgeschreckt packte er sie sogleich am Genick. »Ich bin’s«, protestierte sie. »Laß mich los!«
    Kine zog sich zurück, und sie keuchte mit gedämpfter Stimme ihre Erleichterung hervor. »Ein Glück, daß du da bist.«
    Kine knurrte wütend. Die Höhlung im Lebensbaum war ein geheiligter Ort, den kein anderes Wiesel betrat. Daß sie sich anmaßte, in seinem Wald herumzulaufen, tolerierte er noch; daß sie nun aber auch in die Weide eindrang, erschien ihm unerträglich. Es war der Platz seiner Mutter gewesen, und da sie weitergezogen war, gehörte der Schlupfwinkel ihm ganz allein. Abgesehen davon war er, ganz im Gegensatz zu diesem Weibchen, nicht auf Gesellschaft aus, da sie ihn nur ablenkte und – begrenzt wie die Höhlung nun mal war – zudem noch einengte.
    »Dies«, sagte Kia leise, »ist ein sicherer Ort.«
    Das Wiesel vermied ihre Berührung. Der Lärm der Treiber kam näher; ihre Rufe und ihre Knüppelschläge jagten die Fasanen in verängstigten Gruppen durch das Unterholz. Sich niederduckend versteckten sich die Vögel im Gestrüpp und hinter flechtenbewachsenen Baumstämmen, erholten sich mit erschrockenen Augen kurz und lauschten; dann rannten sie weiter. Ein schwarzer Fasan verbarg sich schattengleich zwischen gelblichbraunen Artgenossen. Kine spitzte seine Ohren noch aufmerksamer. Kias Gegenwart beeinträchtigte seine Wachsamkeit; er blickte sie finster an.
    »Zusammen kann man die Gefahr teilen«, setzte sie erneut an.
    »Es ist nicht deine Gefahr. Alles, was du tun mußt, ist, deinen Kopf unten zu halten.« Am besten irgendwo anders, gab sein düsterer Gesichtsausdruck zu verstehen.
    »Man kann miteinander sprechen«, fuhr sie fort.
    Plappern meinte sie wohl; genauso wie Herdentiere glaubten, in Gruppen sicher zu sein. Und als er annahm, daß sie ihm wieder zu nahe kam, zeigte er seine Zähne: »Das Wiesel lebt allein. So ist es immer gewesen.«
    »Als wir jung waren, haben wir in Familien zusammengelebt.«
    »Aber wir wurden dazu erzogen, selbständig zu sein und allein zu jagen. Sei jetzt still und hör zu!«
    Er vernahm den Lärm der rufenden Männer, die mit ihren Knüppeln am Baum vorbeizogen. Aus der Höhlung hervorstarrend, sah er die
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