Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Steinbett

Das Steinbett

Titel: Das Steinbett
Autoren: Kjell Eriksson
Vom Netzwerk:
auch Beatrice. Sie konnten ihre Berichte zuschlagen und heimgehen, hatten ein Zuhause, das diesen Namen auch verdiente.
    Es klopfte, und Berglund trat ein. Das Gesicht des Kollegen war verkniffen. In der Hand hielt er ein Blatt.
    Er setzte sich und ließ das Blatt auf ihren Schreibtisch fallen. Lindell zögerte einen Moment, ehe sie danach griff.
    Das erste, was sie sah, war Julio Piñedas Name.
    »Was ist das?« fragte sie und blickte auf. Das Dokument war in spanischer Sprache.
    »Das haben wir bei Mortensen gefunden.«
    Lindell überflog das Papier. Die Bedeutung mancher Worte konnte sie erraten, aber der Zusammenhang blieb ihr unklar. Julio Piñeda tauchte hier zusammen mit elf weiteren Namen wieder auf.
    »Ich habe mit Riis gesprochen«, meinte Berglund, »er kann ja ein wenig Spanisch. Erst dachte er, es wäre eine Personalliste, aber dann wurde er unsicher.«
    Sie las sich die Namen durch. »Wer sind diese Leute dann?«
    »Riis meinte, es könnte eine Art Krankenblatt sein.«
    Viele haben Not gelitten – Piñedas Worte fielen ihr ein.
    »Die Dominikanische Republik«, sagte sie, und Berglund nickte.
    Plötzlich kam Lindell ein beängstigender Gedanke. Hatten sie ihre Versuche vielleicht an Menschen und nicht an Affen durchgeführt? So ließe sich Jack Mortensens Lächeln erklären. Als sie anfingen, über Affen zu sprechen, hatte er begriffen, daß die Polizei keine Ahnung davon hatte, was sie tatsächlich in der Karibik getrieben hatten.
    »Könnte es hier um Menschenversuche gehen?« fragte Lindell.
    »Nein, hör auf, das kann ich nicht glauben«, sagte Berglund, nahm Lindell das Blatt aus der Hand und betrachtete es erneut.
    »Ruf bitte den Dolmetscher an, den wir hier hatten, diesen Chilenen. Und bitte Beatrice, Teresia Wall herzubringen.«
    Berglund stand sofort auf und verließ den Raum.
     
    Eduardo Cruz erblaßte, als er das Dokument Wort für Wort übersetzte. Er saß Lindell gegenüber, sah immer wieder zu ihr und dann auf das Blatt Papier, mit einer Miene, als würde er glauben, daß es sich bei dem Ganzen um einen schlechten Scherz handelte.
    Bei einer Reihe wissenschaftlicher Ausdrücke geriet er ins Stocken und erklärte, daß er nicht alle Worte verstehe, aber der Zusammenhang wurde dennoch klar. Es handelte sich um die medizinische Erfassung von zwölf Männern im Alter von 44 bis 68 Jahren, deren Gesundheitszustand in knappen Sätzen beschrieben wurde. Bei drei von ihnen, unter anderem Piñeda, waren nach der Einnahme des Medikaments Nebenwirkungen aufgetreten. Von schweren Gesundheitsschäden war die Rede, von Parese, paroxysmalen Anfällen und Krampfzuständen.
    »Welch eine Grausamkeit«, sagte Eduardo leise, »welch eine Grausamkeit.«
    »Das ist ja wie bei den Nazis«, meinte Ottosson. Er stand am Fenster. »Mein Vater hatte Parkinson«, sagte er. »Mitten in einer Bewegung stockte er, manchmal blieb er stehen, ohne sich weiterbewegen zu können. Er wurde zittrig und heiser. Am Ende bekam er Halluzinationen und Alpträume von den Medikamenten.«
    Der Kommissariatsleiter drehte sich um und sah Lindell an. Ihm standen Tränen in den Augen, und Lindell bewunderte ihn in diesem Moment dafür, daß er seine Gefühle so offen zeigen konnte.
    »Das ist Völkermord«, sagte Eduardo. Sein spanischer Akzent trat deutlicher hervor, wenn er erregt war. »Sie glauben, daß arme Menschen keine Seele haben.«
    Ottosson sah Eduardo an, als hätte er etwas sehr Merkwürdiges gesagt.
    »Nur einen Körper, mit dem die Forscher spielen können«, fuhr der Chilene fort.
    »Es geht um Geld«, sagte Ottosson. »Geld regiert die Welt. Die Seele steht nicht sonderlich hoch im Kurs. Wenn du eine Krone oder eine Peseta mit dem Leiden oder dem Tod eines anderen Menschen verdienen kannst, gibt es für viele kein Halten mehr.«
    »Sie sollen doch Leben retten«, wandte Eduardo ein. »Sie sind Ärzte und Forscher. Aber Sie haben natürlich recht mit dem, was Sie sagen«, fügte er hinzu, so als wolle er seine eigene idealistische Auffassung berichtigen. »Das habe ich ja in meinem eigenen Land erlebt, als Pinochet die Macht übernahm.«
    »Parese bedeutet Lähmung«, sagte Lindell. Sie betrachtete die aufgezählten Namen. Wer war dieser Julio Piñeda? Was war er von Beruf? Wie sahen er und seine Familie aus? Er hatte einen Brief geschrieben, um Gerechtigkeit zu fordern, aber wahrscheinlich hatte er das vergeblich getan.
    Noch am gleichen Abend rief Lindell Antonio Moya an und berichtete ihm von Mortensens Geständnis
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher