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Das Spiel seine Lebens

Das Spiel seine Lebens

Titel: Das Spiel seine Lebens
Autoren: Harlan Coben
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rein«, sagte er.
    »Danke.«
    Christians Zimmer h ätte eher in eine Familienkomödie aus den Fünfzigern gepasst, als in ein modernes Studentenwohnheim. Zum einen, weil es sauber und ordentlich war. Das Bett war gemacht, die Schuhe standen in einer Reihe darunter. Auf dem Fußboden lagen weder Socken noch Unterhosen. An den Wänden hingen Wimpel. Richtige Wimpel. Myron konnte es nicht fassen. Keine Poster, kein Kalender mit Claudia Schiffer, Cindy Crawford oder den Barbi Twins. Nur altmodische Wimpel. Myron kam sich vor, als hätte er gerade Wally Cleavers Studentenbude betreten.
    Anfangs sagte Christian nichts. Sie standen sich unbehaglich gegen über wie zwei Fremde auf einer Cocktailparty, die keine Drinks hatten, an denen sie sich festhalten konnten. Christian sah zu Boden wie ein Kind, das gerade ausgeschimpft worden war. Er hatte kein Wort über das Blut auf Myrons Anzug verloren. Wahrscheinlich war es ihm nicht aufgefallen.
    Myron entschloss sich, einen seiner patentierten Spr üche abzulassen, um das Eis zu brechen: »Was gibt's?«
    Christian fing an, im Zimmer auf- und abzugehen - gar nicht einfach in einem Zimmer, das kaum gr ößer war als eine durchschnittliche Waffenkammer. Myron sah, dass Christians Augen ger ötet waren. Er hatte geweint, die Tränenspuren waren auf seinen Wangen noch zu erkennen.
    »War Mr. Burke sauer über das abgesagt Meeting?«, fragte er.
    Myron zuckte die Achseln. »Er hat sich ganz schön angestellt, aber das wirft ihn nicht um. Hat nichts zu sagen. Mach dir deswegen keine Sorgen.«
    »Das Minicamp fängt Donnerstag an.«
    Myron nickte. »Bist du nervös?«
    »Schon ein bisschen.«
    »Wolltest du deshalb mit mir reden?«
    Christian sch üttelte den Kopf. Er zögerte kurz und sagte dann: » Ich - versteh's nicht, Mr. Bolitar.«
    Jedes Mal, wenn Christian ihn mit Mr. Bolitar ansprach, musste Myron sich verkneifen, sich nach seinem Vater umzudrehen.
    »Was verstehst du nicht, Christian? Worum geht's?«
    Er z ögerte wieder. »Es geht...« Er unterbrach sich, holte tief Luft und setzte noch einmal an: »Es geht um Kathy.«
    Myron dachte, er h ätte sich verhört. »Kathy Culver?«
    »Sie haben sie gekannt«, sagte Christian. Myron wusste nicht, ob es sich um eine Feststellung oder eine Frage handelte.
    »Das ist lange her«, antwortete Myron.
    »Als Sie mit Jessica zusammen waren.«
    »Ja.«
    »Dann verstehen Sie vielleicht, dass ich Kathy vermisse. Mehr, als irgendjemand sich vorstellen kann. Sie war etwas ganz Besonderes.«
    Myron nickte ermutigend. Wie Phil Donahuein seiner Talkshow.
    Christian trat einen Schritt zur ück und stieß sich dabei fast den Kopf an einem Bücherregal. »Alle haben ein Riesentheater darum gemacht, was mit ihr passiert ist«, fing er an. »Die Boulevardpresse hat sich darum gerissen, und in A Current Affair ha ben sie Geschichten über ihr Verschwinden gebracht. Das war wie ein Spiel für die. Eine Fernsehshow. Sie haben uns immer »das Traumpaar« genannt.« Er zeichnete mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft. »Als würde das mit dem Traum sowas wie unecht bedeuten. Gefühllos. Alle haben gesagt, dass ich jung bin. Dass ich schnell drüber wegkommen würde. Kathy war bloß eine hübsche Blondine, ein Typ wie ich könnte an jedem Finger so eine haben. Von mir haben sie erwartet, dass ich sie vergesse und mein Leben weiterlebe wie vorher. Sie war verschwunden. Es war vergessen und vorbei.«
    Christians jungenhafte Ausstrahlung - die ihn in Myrons Augen zu einem Werbestar machen w ürde - hatte plötzlich ganz andere Züge angenommen. Statt des scheuen, bescheidenen, kleinen Jungen aus Kansas sah Myron plötzlich die Realität: ein verängstigtes, in die Ecke getriebenes kleines Kind, dessen Eltern gestorben waren, das keine richtige Familie und wahrscheinlich auch keine richtigen Freunde hatte, sondern nur Leute, die ihn als Helden anhimmelten oder sich an ihm eine goldene Nase verdienen wollten. (So wie er selbst?)
    Myron sch üttelte den Kopf. Niemals. Andere Agenten schon. Er nicht. Er war nicht so. Trotzdem blieb ein Rest von Schuldbewusstsein und stach ihn wie mit einem spitzen Finger zwischen die Rippen.
    »Ich hab nie richtig geglaubt, dass Kathy tot ist«, fuhr Christian fort. »Das hat es wohl noch schlimmer gemacht. Die Unsicherheit nimmt einen irgendwann ziemlich mit. Irgendwie - irgendwie hab ich manchmal schon fast gehofft, dass sie endlich ihre Leiche finden, bloß damit es vorbei ist. Ist es schrecklich von mir, so etwas zu
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