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Das Spiel des Schicksals

Das Spiel des Schicksals

Titel: Das Spiel des Schicksals
Autoren: L. R. Powell
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sie sonst hingehen sollen? Ihr Magen knurrte vor Hunger, vielleicht auch vor Angst. Sie schüttelte sich leicht, drehte sich um und ging die Treppe hinauf. Oben stieß sie auf eine weitere Tür, in deren Holz eine Art kantiger Kreis geschnitten war. Cat zögerte einen Moment, dann öffnete sie die Tür und trat ein.
    Sie befand sich in einem Raum, der wie eine Mischung aus einem exklusiven Club und der Abstellkammer eines Hausmeisters wirkte. In einer Ecke standen Farbeimer und ein zerbeulter Aktenschrank mit einem kleinen Fernseher obendrauf. Der Bildschirm zeigte bloß statisches Schneerieseln. Die Wände waren holzgetäfelt, stark zerkratzt und schlecht poliert, aber auf dem Fenstersims thronte eine altmodische Öllampe, und der Teppich unter ihren Füßen fühlte sich dick und plüschig an. In der Mitte des Raums stand ein runder, mit grünem Filz bezogener Tisch, an dem vier Leute saßen und Karten spielten. Sie alle schauten bei ihrem Eintreten auf, aber nicht etwa verärgert oder empört. Sie schienen kein bisschen überrascht zu sein. »Aha«, sagte eine der beiden Damen und hob die Augenbraue. Eine erwartungsvolle Stille folgte.
    Cat wusste, dass eine Entschuldigung angebracht war, oder zumindest irgendeine Ausrede, etwa: »Ich wollte hier nicht so einfach hereinplatzen, aber …« oder »Es tut mir leid, Sie zu stören … « Stattdessen trat sie vor und streckte die Hand mit der zerknitterten Karte aus.
»Da war ein Mann«, sagte sie. »Ich bin ihm gefolgt. Bis hierher. Ich glaube, er steckt in irgendwelchen Schwierigkeiten. Haben Sie … Haben Sie … ?« Sie verstummte.
    Der Mann, der ihr am nächsten saß, stand mit einer schnellen, anmutigen Bewegung auf, kam zu ihr und nahm ihr die Karte aus der Hand. Er betrachtete sie – das Blut, die Schwerter, den heraufziehenden Sturm – mit einem fragenden Lächeln. »Schwierigkeiten? Ja, ich denke, das trifft es recht gut.«
    Er war wohl Ende zwanzig, mit wuscheligen Haaren, einem jungenhaften, eleganten Lächeln und schläfrigen Augen. Typisch reiches Muttersöhnchen, dachte Cat mit instinktiver Abneigung, wobei sie sich ihres schmutzigen Gesichts und der billigen Schuluniform peinlich bewusst war.
    Sie versuchte es noch einmal. »Er hat mich um Hilfe gebeten. Er wurde verfolgt. Ich … ich bin ihm nachgegangen, das ist alles.« Sie wollte nicht zugeben, dass sie es gewesen war, die die Verfolger auf die richtige Spur gesetzt hatte. Und noch während sie sprach, merkte sie, wie absurd ihre Worte klangen. Wo immer diese Leute hingegangen waren, hierher bestimmt nicht. Der einzige Eindringling war sie selbst.
    »Der Spieler hat versucht, zu betrügen. Einen Unbeteiligten in das Spiel hineinzuziehen, macht den Zug ungültig«, sagte eine der beiden Frauen. Sie deutete auf den Fernseher und das unergründliche Flackern auf dem Bildschirm. »Der Hof der Stäbe sollte eine Strafe bekommen. « Sie war etwa Anfang vierzig und wirkte in ihrem
Abendkleid aus burgunderfarbenem Samt auf eine düstere Art glamourös. Der andere Mann war ein Schwarzer mit einem strengen Gesicht, dessen Haar bereits grau wurde. Die zweite Frau hatte blondes Haar. Sie trug einen weißen Hosenanzug und eine Sonnenbrille. Cat hielt es für dämlich, in einem nur von einer Öllampe erleuchteten Zimmer eine Sonnenbrille zu tragen.
    »Ich muss Lucrezia widersprechen«, sagte der Schwarze mit dunkler, schwerer Stimme. »Die Unbeteiligte hat sich aus eigenem Antrieb eingemischt. Und da ihre Handlungsweise dem Hof der Stäbe zum Nachteil gereicht, hat mein Spieler für diesen Fehler bereits bezahlt.«
    »Aber Ahab! «, tadelte der jüngere Mann den älteren. »Es ist doch nicht von der Hand zu weisen, dass die Einmischung niemals stattgefunden hätte, wenn der Hof der Stäbe nicht zuerst die Regeln gebrochen hätte.«
    Die dunkelhaarige Frau wandte sich an die Blonde. »Odile? Wie lautet deine Ansage?«
    »Nur eine Regel hat in diesem Fall eine Bedeutung«, erwiderte die Frau namens Odile und nippte an einer Tasse mit hellem Tee. »Eine unbeteiligte Person, deren Einmischung den Verlauf des Spiels verändert hat, ist nicht länger unbeteiligt. Wir müssen die übliche Einladung aussprechen und das weitere Spiel abwarten.«
    »Worum geht’s hier denn überhaupt?« Frustration und unterdrückte Nervosität hatten in Cat die Kampfeslust geweckt. Sie machte einen weiteren Schritt auf den runden Tisch zu und sah die Karten, mit denen die vier spielten. Es waren keine normalen Karten, sondern
ähnelten
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