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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel
Autoren: Krystyna Kuhn
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herausfand, wie sie in Wirklichkeit hieß. Und bei Gott – keiner sollte erfahren, dass Robert einmal auf den Namen Ralph getauft worden war.
    Julia begegnete niemandem, als sie mit dem Aufzug nach unten fuhr. Die Türen des Fahrstuhls öffneten sich mit einem leisen Summen und sie trat in den lang gestreckten Korridor.
    Die Flure im Untergeschoss unterschieden sich nicht sehr von denen der Seminarräume, mit der Ausnahme, dass es hier keine Fenster gab und der Boden aus grauem ungemütlichem Linoleum, nicht aus Parkett bestand. Zudem verliehen die grünlich schimmernden Stromsparleuchten den lang gestreckten Gängen eine kalte, unheimliche Atmosphäre. Man fühlte sich wie in einem dieser Horrorfilme, in denen man durch die langen Flure eines Leichenschauhauses irrt und jeden Moment erwartet, irgendwelche grauenhaften Zombies würden um die Ecke biegen.
    Als Julia ihre Hand nach dem Lichtschalter ausstreckte, hätte sie fast damit gerechnet, dass das Licht flackerte, aber sofort strahlte der Flur in hellem Licht auf. Doch es hatte nichts Beruhigendes an sich. Noch immer schien es, als hätten die Bauherren beabsichtigt, das Untergeschoss als Ort des Schreckens zu gestalten.
    Durch den Keller drangen die Filmgeräusche von Herr der Ringe. Sie konnte an der Musik hören, um welche Stelle es sich handelte.
    Julias Kopf dröhnte, doch es kam nicht von den Geräuschen.
    Zwei glühende Nadeln drangen jeweils rechts und links in ihre Schläfen. Sie legte ihre Hand auf die Stirn. Sie fühlte sich heiß an.
    Hastig setzte sie sich in Bewegung und lief den Flur entlang. Vor ihr lag das CD. Die Tür war nur angelehnt.
    Noch immer hörte sie die Musik zur Schlacht um Mittelerde. Sie konnte froh sein, dass es nicht ein anderer Film war, eine Komödie oder irgendein Liebesfilm. Bei dieser Begleitmusik hätte sie vermutlich nicht den Mut gefunden.
    Langsam öffnete sie die Tür zum Computer-Department.
    Und obwohl sie versucht hatte, sich darauf vorzubereiten, wen sie hier antreffen würde, konnte sie es nicht glauben, als sie wirklich vor ihr stand.
    *
    Es war Katie.
    Katie West saß an einem der PCs und auf den ersten Blick erkannte Julia die Datenliste auf dem Bildschirm.
    Die Koreanerin blickte sie an. »Da bist du ja«, sagte sie seelenruhig.
    Julia räusperte sich. Etwas steckte in ihrem Hals, machte ihr das Schlucken schwer. »Was tust du hier?« Sie erkannte ihre eigene Stimme nicht wieder.
    »Das fragst du noch?« Katie schüttelte den Kopf. »Ich hätte dir mehr Intelligenz zugetraut.«
    Julia antwortete nicht. Ihr fehlten nicht die Worte, nein, es waren zu viele, die ihr durch den Kopf gingen. Daher schwieg sie beharrlich, schwieg weiter, auch als Katie sagte: »Du hast die Kette aus dem See geholt, oder? Und du hast das Medaillon gefunden!«
    Julias Blick glitt zu den USB-Anschlüssen. Der strassverzierte Stecker sah so winzig, so harmlos aus. Dabei hatte er die Macht, unendlich viel Leid zu verursachen.
    »Was wusste Angela Finder über dich?«, fragte sie schließlich.
    »Nichts!«, erwiderte Katie und verzog ihr Gesicht zu ihrem seltenen Sphinxlächeln. »Rein gar nichts.«
    »Du lügst! Angela hat dich erpresst.«
    »Warum hätte sie das tun sollen?« Irritation, Verwunderung, Drohung? Julia konnte nicht genau benennen, was sie aus Katies Stimme hörte.
    »Was hast du mit ihr gemacht?«
    »Was ich mit ihr gemacht habe?« Katie richtete den Blick wieder auf den Bildschirm. »Nichts! Du spinnst doch.«
    »Ich kenne deine Geschichte!«, zitierte Julia. »Der Satz stand in Angelas E-Mail an dich.«
    Erst jetzt zeigte Katie eine sichtbare Reaktion. Sie wurde blass.
    »Welche Geschichte meinte Angela?« Julia ließ nicht locker.
    »Es gibt keine Geschichte!« Die Koreanerin ballte ihre Fäuste. »Und niemand erpresst mich! Mich nicht!« Ein Ausdruck trat in ihr Gesicht, der Julia Angst machte. Katie erhob sich langsam, drehte sich zu Julia um und baute sich bedrohlich vor ihr auf. »Das alles geht keinen etwas an, verstehst du?« Ihre schmalen dunklen Augen sprühten Feuer. »Und ich schwöre dir, wenn du irgendjemandem davon erzählst, dann …«
    Katie sprach nicht zu Ende, sondern griff plötzlich nach Julias rechtem Arm und riss sie nach unten.
    »Runter! Aber plötzlich!«, zischte sie. »Und wenn du nur einen Ton von dir gibst, ich schwöre dir, dann sorge ich dafür, dass du das bereust!«
    Mit diesen Worten zerrte sie Julia mit sich den Gang entlang, durch die Reihen der Computerarbeitsplätze, bis ganz nach
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