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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel
Autoren: Krystyna Kuhn
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damals …
    Er wurde mitten aus den Gedanken gerissen, als plötzlich Rose neben ihm aufstand, um Benjamin vorbeizulassen. »Soll ich dir auch noch ’ne Cola mitbringen?«, flüsterte er.
    Robert schüttelte den Kopf und versuchte, sich wieder auf die Leinwand zu konzentrieren.
    Aber nur wenig später raschelte es abermals. Diesmal stand jemand weiter vorn auf und verschwand hinter dem Türvorhang. Wenn ihn nicht alles täuschte, war es Debbie gewesen. Er erkannte sie daran, wie sie stets den Kopf in den Nacken zog. Wie eine Schildkröte.
    Dann kehrte endlich Ruhe ein. Auf der Leinwand flimmerten gerade die schwarzen Reiter, die Jagd auf Frodo und Sam machten. Robert schloss die Augen.
    Warum machte der Tod einen automatisch zum Helden? Der Dekan, Richard Walden, hatte zwar keine Trauerfeier veranstalten lassen, wie Robert es eigentlich erwartet hätte, aber er hatte Trauerbeflaggung angeordnet und Angela Finders Bild in der Empfangshalle aufhängen lassen. Es gab auch ein Kondolenzbuch. Robert hatte nicht nachgesehen, wer von den Studenten und Dozenten seinen Namen eingetragen hatte. Er wusste nur eines: Das Mädchen im Rollstuhl war niemand gewesen, dem viele nachtrauerten.
    Er hatte gehört, wie jemand von den älteren Studenten sie Wanze genannt und Isabel sie sogar als Kanalratte bezeichnet hatte. Und Benjamin, der hatte Angela sowieso auf dem Kieker gehabt. Okay, vielleicht war es auch umgekehrt gewesen, doch Robert selbst hatte die beiden am Abend vor der Party hier unten im Keller beobachtet. Angela hatte auf Benjamin eingeredet. Und Julia hatte ihm später erzählt, wie das Mädchen im Rollstuhl Benjamin kurz zuvor beim Grace Chronicle hatte abblitzen lassen.
    Und dann war da auch noch Debbie. Kein Tag verging, ohne dass sie ein neues Gerücht über Angela in die Welt setzte, und oftmals widersprachen diese sich völlig. Dass sie ein Biest gewesen wäre. Dass sie womöglich gar nicht an ihren Rollstuhl gefesselt gewesen wäre. Dass sie Debbie und nur Debbie all ihre Geheimnisse anvertraut hätte.
    Doch wenn jemand nach Details fragte, schüttelte Debbie nur den Kopf und zuckte mit den Schultern.
    Robert lief es kalt über den Rücken, wenn er sich daran erinnerte, wie Debbie ihn stets mit diesen falsch wirkenden Augen fixierte, als fürchte sie, er könne tatsächlich ihre Gedanken lesen.
    Obwohl - jetzt musste Robert grinsen. Diese naive Vorstellung passte zu Debbie. Als ob er tatsächlich die Zukunft vorhersehen könnte. Nicht einmal er selbst glaubte daran. Es war vielmehr so, dass er auf seine Gefühle und Intuitionen stärker vertraute als andere. Und manchmal wünschte er sich, er hätte Kontrolle über das, was in ihm vorging. Ja, er sehnte sich danach, sein Verstand würde endlich so eine Art Raketenabwehrsystem entwickeln, um all die Signale, die seine Mitmenschen sendeten, aufhalten zu können.
    Stattdessen spürte er auch jetzt wieder dieses vertraute Jagen in seinem Herzen. Es entsprach derselben plötzlichen Angst, die er in der Nacht gefühlt hatte, als man seinen Vater im Kofferraum seines Mercedes gefunden hatte.
    Robert richtete sich in seinem Sitz auf.
    Und zwei Dinge kamen ihm gleichzeitig ins Bewusstsein. Julia war nicht im Filmsaal, obwohl Herr der Ringe einmal ihr Lieblingsfilm gewesen war. Und nicht nur das: auch Chris hatte er bisher nirgendwo im Kino entdecken können.

Kapitel 31
    Die nächsten paar Minuten saß Julia nur vor dem leeren Bildschirm des Laptops und lauschte.
    Sie wollte, dass es aufhörte.
    Sie wollte, dass alles aufhörte: die Stille im Apartment, das Summen des Computers, die Angst, die Fragen, die Kopfschmerzen, die Hitze in ihrem Körper und das Zittern. Sie wollte nichts mehr tun, wollte nicht mehr tapfer sein, wollte Robert nicht mehr beschützen müssen. Julia wollte kein Misstrauen mehr spüren, kein Vertrauen wagen.
    In diesem Moment wollte sie gar nichts sein.
    Sie war müde.
    Leer.
    Alles tat ihr weh.
    Ihre Augen schmerzten.
    Aber eines wollte sie genauso wenig: dass jemand die Macht hatte, dass sie sich so leer fühlte.
    Sie wollte selbst entscheiden, wann sie aufgab.
    Der Lift hatte im zweiten Untergeschoss angehalten. Dort befanden sich das Kino, die Medienräume, das CD und der Serverraum, auf dem sich alle Daten befanden, die das Grace und die Studenten betrafen.
    Und befand sich nun dort unten auch diejenige Person, die Julias Vergangenheit mitgenommen hatte?
    Julia straffte die Schultern und erhob sich. Nein, sie würde nicht zulassen, dass jemand
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