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Das Spektrum der Toten

Das Spektrum der Toten

Titel: Das Spektrum der Toten
Autoren: Hans Pfeiffer
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samt zugehörigem Hoden. Aus der Hodensackwunde ragt ein Stumpf des glatt durchtrennten Samenstranges vor. Sonst fehlen anderweitige äußere Verletzungsspuren. Gehirn, Lungen und Baucheingeweide vollkommen normal oder fast normal beschaffen. Pericardialsack mit geronnenem Blut prall gefüllt. Aufsteigende Aorta erweitert, zeigt an der Vorderwand eine die ganze Wanddicke durchsetzende Ruptur; ihre Innenwand unbedeutend atheromatös verändert. Herz normal groß, unversehrt.«
    Als Todesursache nannten die Obduzenten entweder den Riss in der Aorta oder Verblutung infolge der Kastration.
    Verblutung durch die Kastrationswunden - das bedeutete für Josefa S. eine Anklage wegen schwerer Körperverletzung mit Todesfolge. Das Gericht nahm die Ermittlungen gegen Josefa auf. Josefa wurde verhaftet. Sie berichtete über ihre Beziehung zu Josef und wie es in jener Nacht zu dem blutigen Anschlag gekommen war. Josefa wurde befragt, ob sie vor ihrem Verhältnis mit Josef Beziehungen zu anderen Männern gehabt habe.
    »Zuvor«, antwortete sie, »waren mir alle Männer gleichgültig. Zu Josef fühlte ich mich so hingezogen, als sei ich besessen gewesen oder von ihm magnetisiert.«
    Da die Obduzenten die Todesursache Josefs nicht eindeutig bestimmt hatten, forderte das Gericht von Prof. Wachholz und Prof. Olbrycht ein Obergutachten. Darin heißt es:
    1. Die Obduktion der Leiche des Josef D. hat zwei Veränderungen nachgewiesen, die imstande waren, den Tod Josefs zu erklären; das ist die umfangreiche Wunde in der Genitalgegend und die Ruptur der aufsteigenden Aorta. Die Wunde, welche die Hauptgefäße des männlichen Gliedes und des Samenstranges durchtrennte, konnte den Verblutungstod, die Aorta-Ruptur dagegen den Tod durch Herzbeuteltamponade herbeiführen. Da der Sektionsbefund nicht dem eines Verblutungstodes entsprach, indem ausgebreitete und ziemlich deutliche Totenflecke festgestellt wurden und sich alle Organe mäßig blutreich erwiesen, kann zweifellos angenommen werden, dass Josef D. nicht eines Verblutungstodes gestorben ist, somit die ihm durch fremde Hand zugefügte Schnittwunde in der Genitalgegend mit seinem Tode in keinem Zusammenhange stand.
    2. Die Aorta-Ruptur, welche demnach als die eigentliche und zugleich alleinige Todesursache des Josef D. bezeichnet werden muss, war die unmittelbare Folge zweier Faktoren. Erstens: Die sexuelle Erregung verursachte eine plötzliche, starke arterielle Blutdruckerhöhung. Zweitens: Es bestand eine herabgesetzte Widerstandsfähigkeit der Aortawände, die als eine besondere Leibesbeschaffenheit des Toten aufgefasst werden muss und sich durch die krankhaften, bei der Obduktion festgestellten Veränderungen der Aorta erklären lässt.
    3. Der Tod des Josef D. erfolgte nicht sofort nach entstandener Ruptur der Aorta, er trat vielmehr erst nach einer gewissen Zeit ein, nachdem sich im Herzbeutel eine genügende Blutmenge angesammelt und durch Druck (Tamponade) das Herz zum Stillstand gebracht hatte. Immerhin mussten sich Josef D.s gleich nach erfolgter Aorta-Ruptur Kollapserscheinungen bemächtigt haben, die allmählich zunahmen und ihn außer Stand setzten, sich der ihm drohenden Verstümmelung zu erwehren. Andererseits führte dieser Kollaps eine zunehmende Herabsetzung des arteriellen Blutdrucks herbei. Dadurch war die Blutung aus den in der Wunde durchtrennten Blutgefäßen zu gering, um Tod durch Verblutung zu verursachen.
    4. Die Josef D. durch Josefa S. versetzte Schnittwunde hat somit seinen Tod nicht herbeigeführt und ist ihm zweifellos zugefügt worden, nachdem die Aorta-Ruptur bereits erfolgt war. Die Wunde muss aber als schwere körperliche Verletzung bezeichnet werden, die mit dauerndem Verlust der Zeugungsfähigkeit verbunden ist.

    Die Obduzenten nannten diesen Fall besonders interessant, weil eine äußere Verletzung (die Kastration) mit einer krankhaften Organveränderung (Aorta-Ruptur) zusammenfiel. Diese führte zum plötzlichen Tod, noch bevor die Verletzung sich tödlich auswirken konnte. Josefa wurde deshalb von der Anklage freigesprochen.

    Plötzlicher Tod beim Geschlechtsverkehr ist häufiger als vermutet. Da die Umstände des Todes jedoch als peinlich empfunden werden, übergeht man sie mit Stillschweigen. Die Ursachen eines solchen plötzlichen Todes liegen meist an krankhaften Veränderungen des Hirns, des Herzens oder der Aorta. Körperliche Anstrengung und psychische Erregung beim Koitus steigern den Blutdruck erheblich und lassen ihn dann wieder stark
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