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Das spanische Medaillon

Das spanische Medaillon

Titel: Das spanische Medaillon
Autoren: Tom Wolf
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erwirken können! Ach mein Friewi – sie haben ihm übel mitgespielt, er war völlig aus dem Häuschen. Beim Reiten kam er kaum von der Stelle. Ich weiß nicht, was mit ihm los war. O ja, natürlich weiß ich es. Er hatte wieder seine mauvaises humeurs ... Aber dieses Mal waren sie sehr, sehr … trés mauvaises!«
    Unser Land war nach Tilsit nur noch halb so groß: Westelbien und Polen verloren, Napoleon nicht länger gut Freund mit unserem König – einer Abordnung königstreuer Berliner, die ihn in Dresden aufsuchten, sagte der Unflatkaiser, es hänge von Friedrich Wilhelms Verhalten ab, ob er ihn auf dem Thron lasse. Der König selbst schämte sich seiner Niederlage. Königin Luise schrieb mir in einem Brief, den ich verbrennen sollte, es aber nicht getan habe: »Denken Sie sich, er hatte wieder die Idee zu abdiquieren! Das ist nur wieder seine ver****te desolution! Er geht um acht ins Bett und nimmt sein Mahl dort ein, allein. Dabei kann er mit den Kindern so herzig sein: Heut’ spielten sie draußen Blindekuh. Auch an den Uniformen bosselt er wieder herum. Ach, es wär zum Weinen, wenn es nicht so komisch wäre!« Karl Freiherr vom Stein wurde für eine gewisse Zeit Premier. Der König berief den armen Mann und die treue Preußenseele trabte an, trotz Krankheit und erlittener Demütigung, bis nach Memel. Damit ging der Reformzirkus los, der uns ein paar Jahre bei Laune gehalten hat, von Karl August Fürst von Hardenberg nach 1810 fortgeführt. Durch einen dummen Fehler – er schickte einen unverschlüsselten Brief an den Fürsten Wittgenstein, in dem er von heimlichen preußischen Aufrüstungs- und Insurrektionskriegsplänen gegen Frankreich faselte – sägte Stein sich bald schon den Ast ab, auf den er sich so unvermutet geschwungen.
    Der Wittgensteinbrief ward abgefangen und Napoleon hinterbracht. Hardenberg, Außenminister Preußens bis 1806, dann zurückgetreten auf Napoleons Drängen, kam erst inoffiziell, 1810 dann offiziell zurück, was unser aller Segen war. Dieser Grandseigneur, wiewohl in eigenen Finanzen chaotisch, erwirkte doch nach nur einem ersten, geheimen, nächtlichen Gespräch auf offenem Feld eine grundsätzliche Umwandlung der ineffizienten Verwaltung: Die Kabinettsregierung wurde vom fünfköpfigen »Ministerium« abgelöst. Mit diesem Entschluss war Stein schon förmlich abgedankt. Das Scheitern des Prinzen Wilhelm in Paris, entsandt noch auf seinen Vorschlag hin, um Napoleon im persönlichen Gespräch zur Milderung der Kontributionsforderungen zu bewegen, ward zum Siegel unter der im Raume stehenden Stein’schen Demission. Napoleon schraubte die ursprünglich geforderten astronomischen 112 Millionen Francs – von denen 12 in bar, 50 in Pfandbriefen und 50 in Domänen zwischen Elbe und Oder zu entrichten gewesen wären – auf sagenhafte 140 Millionen hoch. Hinzu kam die bis zur erfolgten Bezahlung fortdauernde französische Besatzung dreier Festungen, zu deren Unterhalt Preußen sich verpflichtete. Prinz Wilhelm, der schon beim Fürstentreffen 1808 in Erfurt zwischen Alexander und Napoleon den Anschein der reinen preußischen Noch-Existenz wahren musste, schickte sich tapfer in sein Los. Er hörte sich Napoleons Beschimpfungen seines Bruders, des Königs, kommentarlos an. Er unterbreitete das Bündnisangebot, das der in Abwesenheit Beschimpfte ihm mitgegeben hatte. Doch der Korse schrie ihn nieder. Unter Verweis auf den Stein’schen Schandbrief ward der Prinz gezwungen, der astronomischen Kontributionslast zuzustimmen, die unter keinen Umständen je zu schultern sein würde ... Die preußische Truppenstärke wurde auf 42 000 Mann beschränkt. Unser räumlich schon halbierter Militärstaat geriet damit auch personell zur Karikatur seiner selbst.
    König und Königin zogen von Memel nach Königsberg, wo am 1. Februar 1808 eine preußische Prinzessin auf die Welt kam, die den Namen der Königin erhielt. Steins Vorschlag, Napoleon die Patenschaft über das süße, ahnungslose Mädchen anzutragen, kann kaum ernst gemeint gewesen sein ... Stein hat sich mit solchem Unfug nicht eben meine Sympathie erworben. Als er dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm einen neuen Erzieher engagieren wollte (Jean Pierre Frédéric Ancillon) – was durchaus richtig war, denn der bisherige, Friedrich Delbrück, handhabte die Sache viel zu lasch und verzog den Burschen total! –, fing er dies Unterfangen so plump an, dass man sich fragte, ob er auch nur ein Fünkchen Verstand hatte.
    Als die Königin
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