Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das spanische Medaillon

Das spanische Medaillon

Titel: Das spanische Medaillon
Autoren: Tom Wolf
Vom Netzwerk:
Aufblitzen des Mutes, den ich so bewunderte. Damals landeten Sie sanft wie eine Taube. Ich werde es nie vergessen: Sie erschienen mir wie der leibhaftige Beweis dafür, dass uns Gott zum Herrn über die Natur gemacht. Jetzt sinkt Ihre Rede zu Boden und Sie schlagen am Ende auf wie eine Taube aus Erz ... Ich bitte um Vergebung, wenn meine Worte Ihre Königin verletzt haben sollten! Bitte erweisen Sie mir die Gnade, Ihrer Majestät dies vorab zu übermitteln. In der gestaltlosen Entfernung lässt man sich oft zu Worten hinreißen, die im unmittelbaren Umgange niemals fallen, ja nicht einmal im Geiste erwachsen würden. Ich bin mir sicher, dass eine Dame, die mit Ihnen Umgang pflegt, kein anderes Gefühl als das der größten Hochachtung verdient! Madame, schütteln Sie das Erz von Ihren Flügeln!«
    Schon wendete er sich dem neben mir stehenden alten Brentano zu, dann den Arnims. Belanglose Floskeln, dann die Kardes. Gewäsch. Die Potsdamer Schwerins ... Ich war froh, ihm gesagt zu haben, was ich hatte sagen wollen. Jérôme schüttelte nur den Kopf, drei Tage lang. Vom bald darauferfolgenden Einzug Napoleons in Berlin hat mir Cousine Evelyn später berichtet: Am 27. Oktober kam er unter dem Donner der Geschütze und dem Läuten aller Glocken durch das Brandenburger Tor herein und defilierte an den jubelnden (!) Bürgerinnen und Bürgern vorüber. Für den Empereur und die Seinen mag es ein überaus imposantes und glänzendes Schauspiel gewesen sein – für die Berliner dagegen lag in den dumpfen Tönen, die bis in die gänzlich leere Wilhelmstraße hineindrangen, etwas unaussprechlich Schauerliches. Er residierte einige Wochen in Berlin, bezeichnenderweise dort, wo Friedrich der Einzige seine erste Residenz aufgeschlagen hatte, in Charlottenburg. Doch schon bald zog er nach Warschau weiter und verbrachte dort den Winter, eine Spezialtruppe als Besatzung in unserer Kapitale zurücklassend.
    Preußens schlimmste Jahre
Mit der Doppelschlacht von Auerstedt und Jena 1806 begann die Talfahrt der preußischen Armee gegen Napoleons Truppen. Als Nächstes kamen Lübeck und Prenzlau: Gebhard Leberecht von Blücher kapitulierte, dann Friedrich Ludwig Fürst von Hohenlohe-Ingelfingen. Von Massenvergewaltigungen in Lübeck war die Rede. Prinz Ferdinand von Preußen und sein Adjutant Carl von Clausewitz gerieten in französische Gefangenschaft. Der König, der erst den Charlottenburger Frieden akzeptiert hatte, unterzeichnet durch Preußens außerordentlichen Pariser Gesandten Girolamo Lucchesini, änderte seine Meinung. Ein Notbündnis mit Russland gab neue Hoffnung. Und wirklich – in Putulsk, Preußisch Eylau und Heilsberg bewiesen die Alliierten, dass sie Napoleon hätten besiegen können, wenn sie nur das Nachsetzen gelernt hätten. Durch ein zu frühes Ende der Kampfhandlungen erhielten die an sich unterlegenen Feinde jedoch stets Gelegenheit, sich zu retirieren. In der Schlacht bei Friedland zerstob Preußens Hoffnung endgültig. Trotz guten Anfangs war das Resultat vernichtend: General Graf Levin (Leontij Leontevi) August Theophil von Bennigsen, ein Hannoveraner in russischen Diensten, bis dahin ohne Fehl, musste kapitulieren. Der preußische General Gerhard von Scharnhorst geriet in Gefangenschaft.
    Gerardine erinnert sich: Es war für uns sehr deprimierend, den Glorienschein des alten Preußen in Windeseile verfliegen zu sehen. Größte Teile der Armee gingen durch Desertion verloren. Nur kleine versprengte Reste der Nachhut schleppten sich unter Führung von Blücher bis über die Elbe, wo der Oberst von York den französischen Verfolgern am 26. Oktober 1806 bei Altenzaun eine achtbare, aber völlig bedeutungslose Niederlage beibrachte. Festungen, die es nicht nötig gehabt hätten, zu kapitulieren – zuvor Bollwerke der Monarchie –, gaben kampflos auf: Erfurt, Spandau, Stettin, Küstrin, Magdeburg und Hameln. Man muss es festhalten: Brieg, Glogau, Danzig, Glatz und Neiße leisteten erbitterte Gegenwehr. Kolberg blieb unbezwungen preußisch – aber es war den Franzosen zu unbedeutend, um sich weiter mit seiner Bezwingung aufzuhalten. In Tilsit wurde am 12. Juli 1807 der niederschmetternde Frieden geschlossen. Ein Knebelvertrag, uns vollends zu zerstören. Hier hatte auch Königin Luise ihre erste Begegnung mit dem kleinen, bleichen Korsen. Später sollte sie mir als einzigen Satz dazu hinwerfen: »Wäre Friewi in seiner Eifersucht nicht hereingestürmt in dieses Mühlenzimmer – ich hätte bessere Bedingungen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher