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Das spanische Medaillon

Das spanische Medaillon

Titel: Das spanische Medaillon
Autoren: Tom Wolf
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kannte, und sich auf die Kriegsverletzungen aus dem War of Independence berief, sobald sich jemand erdreistete, seine Sachkompetenz anzuzweifeln.
    »Ich spüre es an meinem Schulterdurchschuss: Edwin wird es hart ankommen, aber er wird lebendig heimkehren!«
    Ah, der Durchschuss. Hatte ich es nicht geahnt?
    »Wer auch immer verantwortlich ist für Edwins Wohlergehen – ich werde nicht zimperlich sein, wenn ihm etwas zustößt, nach den Ursachen zu forschen und ihn zur Rechenschaft zu ziehen!«
    Jérôme seufzte herablassend, was auch eine seiner Unarten ist. Wenn ich etwas mit Bestimmtheit äußere, dann erwarte ich nicht Herablassung oder Widerworte, sondern rückhaltlose Zustimmung. Ich ließ ihm folglich keine Zeit zur Erwiderung und deklarierte:
    »Abgesehen davon – dem männlichen Kriegswahnsinn muss endlich etwas weiblich Konstruktives entgegengesetzt werden. Ich denke, es ist an der Zeit, einen Frauenclub zu gründen! Männerbünde gibt es wahrlich schon genug.«
    Jérôme verhielt sich den weiteren Heimweg über merkwürdig still, beinahe zurückhaltend. Er, der in fast allen Berliner Clubs Mitglied war – im Casino , in der Vereinigung der Ingenieure , im Montagsclub und der Mittwochsgesellschaft und jetzt gar bei den Gesetzlosen –, muss bei dem Gedanken an einen Club mit mir als Vorsitzender eine gelinde Lähmung verspürt haben. Feierlich, in Pose gereckt, gab ich bekannt:
    »Ich werde Ihre Majestät bitten, unsere Ehrenpräsidentin oder Schirmherrin zu sein«, erklärte ich, als bereits unser Schlösschen vor den Götzer Bergen auftauchte, über den im Mondlicht schillernden Wassern der Havel.

3
    Auch in den nächsten Tagen blieb ich von meiner fixen Idee überzeugt, wenngleich mir erst allmählich die Schwierigkeiten aufschienen, die ich zu bewältigen hätte. Am leichtesten schon schien es mir, die Erlaubnis zu dieser Vereinsgründung zu erringen – eine Einschätzung, über deren Leichtfertigkeit ich heute staune ... Was die Statuten meines zu gründenden Frauenvereins anbetraf, war ich ratlos. Sollte ich mir aus den Regelwerken der Männergesellschaften wahllos einige Paragrafen zusammensuchen? Betrunken zu lallen kostet einen Viertelkreuzer, abzuführen an das Friedrichsstädtische Waisenhaus – dazu etwa wurden die überragenden antiken Geister der Mittwochsgesellschaft verurteilt, wenn sie bei den hochgeistigen Zusammenkünften der Herren aus der Rolle fielen. Was hatte Jérôme uns kürzlich aus einem Briefe Buttmanns vorgelesen, der ihn in die Gesetzlose Gesellschaft zwangseingegliedert hatte: Sooft die Mitteilung einer möglichen Anerkennung an ein Nochnichtmitglied ergeht, so verbittet man sich von selbigem die etwaige Verweigerung des Beitritts als eine bare Absurdität. Jeder hat von dem Augenblicke an das Recht, alle 14 Tage an dem jedes Mal von der Gesellschaft gewählten Ort mit so viel Gästen, als er will, aus der Zahl der noch nicht anerkannten möglichen Mitgliedspersonen zum Mittag- oder Abendessen sich einzufinden. Er kann dies jedes Mal tun; er kann es immer unterlassen . Ich gab den Gedanken einer Anlehnung auf. Mir würde schon noch etwas Besseres einfallen. Die Königin sollte sich nicht in einem Club verrückter Hühner wiederfinden.
    Wie sollte ich den Verein nennen? Wen zur Mitgliedschaft einladen? Nur bei Leo war ich mir schon sicher. Freilich stand mir die Zielsetzung bloß undeutlich vor Augen. Ein Wöchnerinnenclub konnte es ja nicht werden, auch kein Kaffee- oder Teekränzchen und erst recht kein Salon – aus dem man Vertreter des anderen Geschlechtes nur mit Mühe hätte verbannen können. Ein Club für politisch interessierte Damen? Was sollte das sein – eine Vereinigung zum Sturz der Männerherrschaft? Ein Kreis, in dem man als Frau über Themen sprechen konnte, die in der Öffentlichkeit für Frauen tabu waren? Zu traurig. Also gleich ein Zirkel für Frauenthemen (ausgenommen Wochenbett und Kinderaufzucht, versteht sich): Mode und schöne Dinge, Kunst und Literatur und Musik ... Hm. Das wäre ja dann doch wieder genau das, was Rahel Varnhagen und Konsortinnen seit Jahr und Tag in den langweiligen Salons praktizierten. Die Idee zerfaserte wieder. Dennoch beschäftigte ich mich weiter damit, wiewohl mit nachlassendem Interesse. Auch Leo wusste wenig zu raten, als sie im August die Neugier nicht zurückhalten konnte. Ihr Vorschlag (ein Verein zur Unterstützung des Kampfes gegen Napoleon) war zwar von der Idee her nicht schlecht. Sie hatten in Knoblauch
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